10. August 2021

Die Restaurierung des Rothenschirmbacher Altars

Teil VIII: Die heiligen Diakone

 

Kurz nacheinander haben im August zwei Heilige ihren Gedenktag, die eines gemeinsam haben: Sie bekleideten in der frühchristlichen Kirche das Amt eines Diakons und sind an ihrem Gewand, der Dalmatika, als Diakone zu erkennen. Es handelt sich um den hl. Cyriakus, dessen Tag der 8. August ist, und den heiligen Laurentius am 10. August.

Beide stehen sie nebeneinander in unserem Rothenschirmbacher Altar, gut zu erkennen an den Attributen, die sie begleiten.

 

 

Über den hl. Cyriakus ist bis auf dessen Todesdatum im Jahr 303 wenig bekannt. Die Legende berichtet über ihn, dass er die Tochter des römischen Kaisers Diokletian (Kaiser von 284 bis 305) von einem „bösen Dämon“ geheilt habe. Er wird deshalb meist mit einem kleinen Teufel oder Drachenwesen zu seinen Füßen dargestellt, das er an einer Kette hält. Möglicherweise steht hinter dieser Legende, dass Cyriakus tatsächlich als Arzt oder Heiler tätig war und die epileptischen Anfälle des Mädchens lindern oder behandeln konnte.

 

Dank der Finanzierung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien konnte das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) 2020/2021 die Zeit des Lockdowns nutzen, um dringende Restaurierungs- und Konservierungsmaßnahmen an verschiedenen Kunstwerken durchzuführen. Dazu gehörte auch eine Baldachinfigur, leider mit fehlendem Kopf, die eine Heiligen- oder Pries­terfigur mit aufgeschlagenem Buch in der Hand darstellt – wahrscheinlich den hl. Cyriakus. Die Skulptur stammt aus der Stiftskirche, dem sogenannten Dom von Halle (Saale), der in diesem Jahr sein 750-jähriges Jubiläum feiert. Die stilisti­schen Merkmale gleichen den Merkmalen der 17 Apostel­figuren, die von dem zwischen 1520 und 1525/26 nachweislich für Kardinal Albrecht von Brandenburg tätigen Mainzer Bildhauer und seiner Werkstatt für den Dom geschaffen und beidseitig entlang des Mittelschiffs an den Säulen platziert wurden. Möglicherweise wurde die Figur bei einem Ein-oder Umbau entfernt und in das Museum übertragen.

Nach der Restaurierung wurde die Figur als ein Zeugnis der bedeuten­den Epoche der Spätgotik in Halle (Saale) dauerhaft in die Sammlungs­präsentation „Sakrale Kunst von Mittelalter bis Barock“ im Gotischen Gewölbe des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale) integriert – pas­send zum diesjährigen Domjubiläum und direkt neben dem originalen Domportal.

Weitere Informationen zum 750‑jährigen Domjubiläum 2021

 

Im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) befinden sich auch Figuren und Reliefs aus dem Epitaph des gebildeten halleschen Mediziners Laurentius Hoffmann (1582–1630), das sich bis 1885 in der Ulrichskirche befand und bei Erneuerungsarbeiten abgenommen und zerstört wurde. Die erhaltenen Figuren und Reliefs kamen in den Denkmalkeller der Moritzburg. Unter ihnen befindet sich auch die eines Diakons, die vielleicht als Cyriakus zu deuten ist. Dieser Heilige könnte in dem Gedächtnismal des Mediziners, das dieser wohl noch vor seinem Tod selbst in Auftrag gab, auf den Beruf des Auftraggebers verweisen.

 

Franz Julius Döteber (zugeschrieben): Epitaph Laurentius Hoffmann, Heiliger in Priesterkleidung, Cyriakus (?), 1630, Alabaster, 54 x 23 x 18 cm, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Foto: Wieland Krause

 

Auch der heilige Laurentius tritt in dem Epitaph des Laurentius Hoffmann an zentraler Stelle auf. In einem großen Relief, das die Mitte des Epitaphs einnahm, ist sein Martyrium dargestellt. Offensichtlich bezeugten auch für den frommen Protestanten Laurentius Hoffmann die Heiligen der alten, katholischen Kirche noch die Kraft des Glaubens, besonders im Moment des Sterbens und angesichts des Todes. Gerade der heilige Laurentius war zudem ja noch sein Namensgeber. Sicher erklärt das die große Bedeutung, die das Bild seines Martyriums im Epitaph einnimmt.

 

Der Name Laurentius bedeutet „der mit Lorbeer Geschmückte“ und soll auf den Geburtsort des Heiligen, das Landgut Lauriacum bei Huerta (spanisch „Loret e Lauret“) oder den Ort Lauretum in Italien, zurückgehen. Als Sohn wohlhabender Eltern soll er in seiner Jugend eine gute Ausbildung erhalten haben. Seine Legende, die bereits seit dem 4. Jahrhundert in Umlauf kam und darauf schließen lässt, dass sie auf einer realen Person und realen Ereignissen beruht, berichtet, dass er zur Regierungszeit des Kaisers Valerian 253 bis 260 in Rom einer der sieben Diakone des Bischofs Sixtus war.

Diakone gab es schon in der frühen Kirche, sie werden bereits in der Apostelgeschichte erwähnt. Schon die Urgemeinde in Jerusalem, das Vorbild aller, auch der römischen Christengemeinde, hatte sieben Diakone als Helfer der Apostel für die Verkündigung, wohl auch als Übersetzer für die griechisch- und anderssprachigen Christen und als Betreuer in den jungen Gemeinden berufen. Es ist überliefert, dass auch Frauen dazu berufen wurden. Diakone waren praktisch so etwas wie „Verbindungsleute“ für die Gläubigen und die Gemeinden. Sie sollen, so steht es im 1. Timoteusbrief, 3 (Einheitsübersetzung 2016) „achtbar, nicht doppelzüngig, nicht dem Wein ergeben und nicht gewinnsüchtig [sein]; sie sollen mit reinem Gewissen am Geheimnis des Glaubens festhalten. Auch sie soll man vorher prüfen, und nur wenn sie unbescholten sind, sollen sie ihren Dienst ausüben. Ebenso sollen die Frauen ehrbar sein, nicht verleumderisch, sondern nüchtern und in allem zuverlässig. Die Diakone sollen nur einmal verheiratet sein und ihren Kindern und ihrer Familie gut vorstehen. Denn wer seinen Dienst gut versieht, erlangt einen hohen Rang und große Zuversicht im Glauben an Christus Jesus.“

Laurentius soll zuständig gewesen sein für die Kirchengüter und für soziale Tätigkeiten, denn die frühen Christen kamen aus allen Bevölkerungsschichten und halfen einander in ihren Gemeinden – die Kirche war damals noch keine Institution mit Verwaltung und Angestellten, sondern eine aus den unterschiedlichsten Personen und sozialen Gruppen bestehende Gemeinschaft.

Der neue Glaube verbreitete sich nach und nach von Mund zu Mund, von Person zu Person und in den Familien. Für die römischen Kaiser, ihren Hof und die römische Politik, die eigentlich viele unterschiedliche Religionen tolerierte, wurde diese Bewegung allmählich zu einer Verunsicherung und erschien als Bedrohung der Ordnung. Im 3. Jahr­hundert kam es zu verschiedenen Christenverfolgungen, bevor durch die konstantinische Wende unter dem christlich gesinnten Kaiser Konstantin (Kaiser 306–337) das Christentum gefördert und 393 zur Staatsreligion erklärt wurde.

 

Bernardo Strozzi: St. Laurentius verteilt die Schätze der Kirche, um 1625, Öl auf Leinwand, 157,5 x 118,1 cm, North Carolina Museum of Art, Foto: https://g.co/arts/ZqfSs12UbN2D75ZT7

 

Zu Laurentius Lebenszeit erließ der von 253 bis 260 regierende Kaiser Valerian 257 ein Versammlungsverbot für die Christen und verlangte von ihren Priestern und dem Klerus einen Treueeid gegenüber den römischen Göttern. Nachdem er den Bischof Sixtus am 7. August 258 hatte hinrichten lassen, verlangte er die Herausgabe des Kirchenschatzes und ließ Laurentius mehrfach auspeitschen. Laurentius erbat sich Bedenkzeit, verschenkte, wie es ihm Sixtus aufgetragen hatte, die Güter an Arme, führte sie zum Kaiser und präsentierte sie ihm als die wahren Schätze der Kirche. Valerian ließ ihn daraufhin mit Bleiklötzen schlagen, zwischen glühende Platten legen und schließlich auf einem Rost unter stetigem Feuer zu Tode martern. Die Legende, die dazu angetan ist, die Glaubensstärke des Gefolterten zu betonen, berichtet, dass Laurentius während dieser Prozedur die römischen Soldaten scherzhaft angewiesen habe, ihn zu wenden, da er auf der einen Seite bereits gar sei. Sein Kerkermeister soll ihn dann aus Verehrung wegen seiner Standfestigkeit begraben haben. Sein Todestag, der 10. August, wurde sein Gedenktag.

Mit Petrus und Paulus gehörte Laurentius in Rom schon früh zu den wichtigsten Heiligen. Allein in Rom sind ihm 30 Kirchen geweiht. Konstantin ließ 330 in der Nähe seines Grabes eine Kirche errichten und 585 wurde dort eine Basilika erbaut, die 1223 mit der benachbarten Marienkirche vereint wurde und heute als St. Lorenzo fuori le mura eine der fünf römischen Hauptkirchen (Päpstliche Basilika) ist. Dort werden Laurentius‘ Reliquien zusammen mit denen des Stephanus aufbewahrt. Beide zählen zu den „Erzmärtyrern“ (Protomärtyrern), die als besonders vorbildlich angesehen werden. In der Kirche befindet sich auch ein Rost: das Marterinstrument des Laurentius. Fresken aus dem 13. Jahrhundert erzählen das Leben des Heiligen.

In Deutschland verbreitete sich seine Verehrung vor allem nach der Schlacht auf dem Lechfeld, bei der am 10. August 955 Otto I. über die Ungarn siegte. Auch in Spanien wird Laurentius hoch verehrt. In Mitteldeutschland ist er der Patron des nicht mehr existierenden Bistums Merseburg und von Havelberg. Und am Laurentius-Tag erscheinen viele Sternschnuppen, die „Laurentius-Tränen“ genannt werden. Dabei handelt es sich um Partikel des 1862 entdeckten Kometen Swift-Tuttle.

 

 

Verurteilung und Martyrium des Heiligen Laurentius, um 1180, Niedersachsen (Hildesheim?), vergoldetes Kupfer, Champlevé-Emaille, 9,6 x 20,8 x 0,2 cm, The Cleveland Museum of Art

 

Aufgrund seines Martyriums wurde Laurentius zum Beschützer vor Brandwunden, Fieber, Feuer, Rückenschmerzen, vor den Qualen des Fegefeuers und zum Schutzpatron aller Berufe, in denen Feuer gebraucht wurde bzw. heute eher selten gebraucht wird: etwa der Feuerwehrleute, Köche, Bäcker, Glasbläser, Köhler. In Weingebieten ist er Schutzheiliger der Reben, sollen diese doch in der Sonnenglut des Augusts braten wie Laurentius auf dem Rost und so einen guten Wein bringen.

 



Lorenz muss rein sein, soll guter Wein sein.




Ist Lorenz ohne Feuer, gibt schlechten Wein es heuer.



Nach Lorenzi ist's nicht gut, wenn's Rebholz jetzt noch treiben tut.

 

Laurentius ist so Patron zahlreicher Kirchen in den Weinanbaugebieten, auch Weinberge sind nach ihm benannt, sogar eine blaue Burgundertraubensorte heißt nach ihm "Saint Laurent". Weil er in seinem Amt als Diakon die Kirchenbücher verwaltet haben soll, ist er ebenfalls Patron der Bibliothekare und Studenten, darüber hinaus der Armen, da er sich um sie kümmerte. Früher wurde daher am Laurentiustag Brot geweiht und an die Armen verteilt, in manchen Gegenden auch an das Vieh. Die Laurentiusbruderschaft der Stadt Wupperthal, deren Patron der Heilige ist, hat diese Tradition als caritatives Projekt wieder aufgenommen.

 

In Halle ist dem Heiligen die aus dem 12. Jh. stammende Kirche neben dem Botanischen Garten im ehemaligen Neumarkt-Viertel geweiht, die 1984 durch einen Brand fast ihre gesamte Ausstattung verlor und 1991 in schlichter Form wiedereröffnet wurde. Ihren Taufstein (1478) ziert ein Porträt des Heiligen.

Dargestellt wird der hl. Laurentius meist bekleidet als Diakon und mit einem Rost, in anderen Fällen auch mit einem Kelch voller Münzen, mit Geld, Brot oder einem Buch.

Im Rothenschirmbacher Altar stehen die beiden Diakone Cyriakus und Laurentius im linken Flügel unten nebeneinander. Zu Füßen des Cyriakus kauert ein kleines Drachenwesen, Laurentius hält ein Buch und hatte wahrscheinlich neben sich den Rost stehen, der allerdings nicht mehr erhalten ist.

Weitere Informationen

Die Restaurierung wird ermöglicht dank der Unterstützung durch:


und private Spenden