12. Mai 2021

Die Restaurierung des Rothenschirmbacher Altars

Teil VI: Der unbekannte Ritter

 

Die Eisheiligen klopfen an die Tür! Heute, am 12. Mai, der heilige Pankratius, am 13. Mai Servatius und am 14. Mai Bonifatius – so heißen sie in Süddeutschland. Im Norden geht am 11. Mai schon Mamertus dem Pankratius voraus. Den „Eismännern“ kann dann am 16. Mai noch die „Kalte Sophie“ folgen. Und allesamt können sie viele Verluste in der Obstbaumblüte anrichten, denn in den Nächten gibt es an diesen Tagen oft noch einmal Frost und dann müssen leider Äpfel, Kirschen, Birnen und Co. von weit her in den Supermärkten die einheimischen Sorten vom Süßen See nahe Halle (Saale) ersetzen …
 


Pflanze nie vor der Kalten Sophie.



 

Vor Nachtfrost du nie sicher bist, bis Sophie vorüber ist.


 

Pankraz, Servaz, Bonifaz machen erst dem Sommer Platz.


 

Pankraz hält den Nacken steif, sein Harnisch klirrt von Frost und Reif.


Im Rothenschirmbacher Altar steht im rechten Flügel unten ein Ritter, der ein Heiliger sein muss, denn sonst hätte er nicht das Privileg, in einem Altar zu erscheinen. Es ist ein Ritter wie aus einem Bilderbuch: Er trägt eine Rüstung, über die ein Manteltuch geschlagen ist, sein Schild steht neben ihm. Die Lanze fehlt zwar, doch seine Armhaltung deutet darauf hin, dass er sie mit der rechten Hand gehalten haben könnte.

 

Es gibt einige heilige Ritter, von denen wohl am populärsten der heilige Martin und der heilige Georg sind.

Martin, der ein römischer Offizier war, ist vor allem dafür bekannt, dass er seinen kostbaren Mantel zerschnitt, um ihn mit einem frierenden Bettler zu teilen – und durch die Martinsgänse, denn als er Bischof werden sollte, versteckte er sich in einem Gänsestall, wurde gesucht, und das Geschnatter der Tiere verriet ihn – er musste nun Bischof von Tours werden.

Georg soll ein Angehöriger einer vornehmen römischen Familie in Kappadokien gewesen sein, der einen Drachen tötete und so die Königstochter rettete. Diese beiden Ritterheiligen werden meist zu Pferd dargestellt, Martin seinen Mantel mit dem Schwert zerschneidend, Georg, wie er seine Lanze dem Drachen ins Maul stößt.

 

Unser stehender Ritter im Altar aber könnte sehr gut der „Eisheilige“ Pankratius sein, denn die Kirche in Rothenschirmbach war dem heiligen Pankratius (um 289 in Phrygien, heute Türkei – 304 in Rom) geweiht.

Von ihm berichtet die Legende, dass er der Sohn eines reichen Römers war, der in Synnada, einem Bischofssitz in der römischen Provinz Phrygien, lebte. Beim Tod seiner Mutter soll er 8 Jahre alt gewesen sein. Nach dem Tod seines Vaters wurde er von seinem Onkel Dionysius erzogen, mit dem er 303 nach Rom auf dessen Besitzungen reiste. Dort wurde er Christ und unterstützte verfolgte und gefangene Christen. Nach dem Tod seines Onkels geriet er in die Christenverfolgungen des Kaisers Diokletian und wurde vor diesen in den Palast gebracht, denn der Kaiser soll seine Familie gekannt haben. Da er sich trotz seiner Jungend – er muss etwa 14 oder 15 Jahre alt gewesen sein – von seinem Glauben nicht abbringen ließ, wurde er vor einem der Stadttore Roms, an der Via Aurelia, enthauptet. Die Christin Ottavia barg unter Lebensgefahr seinen Leichnam und setzte ihn auf ihrem Besitz an der Via Aurelia bei.

Schon im 5. Jahrhundert wurde dieses Stadttor nachweislich als Porta San Pancrazio bezeichnet, und im Jahr 500 wurde über Pankratius‘ Grab eine Basilika errichtet, der später auch ein Benediktinerkloster angeschlossen wurde. Pankratius wurde schon früh verehrt, er ist bereits im Martyrologium des Hieronymus aus dem 4. Jahrhundert verzeichnet.

 

 

Doch zum Ritter wurde er erst seit dem 10. Jahrhundert, da der Kaiser Arnulf von Kärnten die Eroberung Roms am 12. Mai 896 seinem Beistand zuschrieb und sich deshalb die Verehrung des Pankratius als Patron der Ritter schnell verbreitete. Er wird oft als junger Mann in römischer Kleidung, im Mittelalter jedoch meist als Ritter mit Schild, Schwert und Lanze oder auch mit dem Palmzweig der Märtyrer dargestellt. Die Kirche, aus der der Rothenschirmbacher Altar stammt, war Pankratius geweiht und so ist es gut möglich, dass mit der Figur des jugendlichen Ritters unten rechts im linken Seitenflügel gemeint ist.

„Wenn’s an Pankratius friert, so wird im Garten viel ruiniert.“ Wir hoffen, er ist in diesem Jahr nicht mehr ganz so streng, nach dem langen Winter!

 

 

Die Eisheiligen

 

Die Eisheiligen stehen mit steif gefrorenen Bärten,

aus denen der kalte Wind Schneekörner kämmt,

früh plötzlich in den blühenden Frühlingsgärten,

Nachzügler, Tross vom Winter, einsam, fremd.

Eine kurze Weile nur sind sie hilflos, betroffen,

dann stürzt die Meute auf den Blumenpfad.

Sie können nicht, sich lang zu halten, hoffen;

so wüsten sie in sinnlos böser Tat.

 

Von den Kastanien reißen sie die Kerzen

und trampeln tot der Beete bunten Kranz,

dem zarten, unschuldsvollen Knospenglück

bereiten sie hohnlachend Schmerzen,

zerstampfen junges Grün in geisterhaft

verbissenem Kriegestanz.



Plötzlich mitten in all dem Toben und Rasen

ist ihre Kraft vertan,

und die ersten warmen Winde blasen

aus der Welt den kurzen Wahn.


Max Herrmann-Neisse (1886−1941)

 

Weitere Informationen

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