09. November 2020

9. November – der „Schicksalstag“ in der deutschen Geschichte 

9. November – an wohl kaum einem anderen Datum lässt sich die wechselvolle deutsche Geschichte so ablesen wie an diesem. 

9. November 1918: Novemberrevolution – Karl Liebknecht (1871–1919) verkündet vom Berliner Stadtschloss die „Freie sozialistische Republik Deutschland“. Er wird gut zwei Monate später, am 15. Januar 1919, gemeinsam mit Rosa Luxemburg (1871–1919) ermordet. Am Ende steht die Weimarer Republik.

9. November 1923: Adolf Hitler (1889–1945), Leiter der NSDAP, initiiert einen Putschversuch (Hitler-Ludendorff-Putsch) in München, mit dem Ziel, die Reichsregierung in Berlin zu stürzen und eine nationalsozialistische Diktatur zu errichten. Auch wenn der Putsch scheiterte und Hitler im anschließenden Prozess zu fünf Jahren Haft verurteilt (aber nach einigen Monaten entlassen) wurde: Der Nationalsozialismus hatte die Bühne betreten und gelangte 10 Jahre später an die Macht. Den 9. November bestimmte Hitler während der Zeit der NS-Diktatur zum Gedenk- und Feiertag. 

9. November 1938: An diesem Tag kulminieren die Novemberpogrome. Jüdische Geschäfte und Einrichtungen werden zerstört, Synagogen brennen, unzählige jüdische Menschen werden ermordet. Ereignisse, die in den entsetzlichen Holocaust und den Völkermord an mehr als 6 Millionen Juden und weiteren diskriminierten Bevölkerungsgruppen münden

9. November 1989: Mauerfall – spätestens ab der Öffnung der deutsch-deutschen Grenze war der durch eine friedliche Revolution besiegelte Untergang der SED-Diktatur nicht mehr aufzuhalten. Der Tag war wegweisend für die deutsche Wiedervereinigung im darauffolgenden Jahr. 

Der 9. November ist heute ein Tag des Gedenkens an den 9. November 1938 und an die unzähligen Opfer des NS-Regimes.

Deutsche (Kunst-)Geschichte in unserer Sammlungspräsentation

Unser Museum gibt es seit 1885. Seitdem entwickelte es sich unter den unterschiedlichsten Direktoren und in den verschiedenen Gesellschaftsformen mit guten Zeiten und herben Verlusten zu der heutigen »Burg der Moderne« - dem Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt. In unserer Sammlungspräsentation folgen wir auch immer dieser Geschichte und übergehen die dunklen Kapitel dabei ganz bewusst nicht. 

 

Eine Besonderheit stellt beispielsweise der Ausstellungsbereich zur Kunst 1933 bis 1945 dar. Es werden Werke präsentiert, die in diesem Zeitabschnitt entstanden und zum Teil auch erworben worden sind – sowohl von Vertretern der Moderne als auch von Vertretern der „NS-Kunst“. Mit diesem Ausstellungsteil gehen wir als eines der ersten Kunstmuseen in Deutschland offensiv mit unserer Institutions- und Sammlungsgeschichte im Rahmen einer Dauerausstellung um und sparen die Jahre der nationalsozialistischen Diktatur nicht als blinden Fleck aus.

So findet sich neben einem Werk wie Otto Dix‘ (1891–1961) Versuchung des heiligen Antonius (1942) auch ein Werk wie Paul Mathias Paduas (1903–1981) Der Trommler, das einen fanatisch in den Krieg ziehenden jugendlichen Trommler zeigt. Während Otto Dix schon 1933 als Professor entlassen wurde, Werke von ihm 1937 in der Münchner Ausstellung „Entartete Kunst“ zu sehen waren und er sich letztlich in die innere Emigration zurückzog, avancierte Padua schnell zum von den Nationalsozialisten hoch angesehenen Maler, dessen Werke ausgestellt und hoch gehandelt wurden. Nach 1945 war es ihm in der alten Bundesrepublik ohne Probleme möglich, vor allem mittels zahlreicher Porträtaufträge weiter als Künstler zu arbeiten und auszustellen. Mit seinem Antonius-Bild thematisierte Dix die Frage des Integerbleibens und des Widerstehens gegen Verlockungen und Versuchungen – im übertragenen Sinn die Frage des Sich- und Seiner-Überzeugung-Treubleibens.

 

Eine Vitrine im Ausstellungsbereich 1933–1945 ist ganz besonderen Stücken gewidmet, deren Geschichte an unsere gesellschaftliche Verantwortung vor allem gegenüber den jüdischen Mitgliedern unserer Zivilgesellschaft erinnert: Kunst- und Gebrauchsgegenstände aus ehemals jüdischem Besitz, deren Eigentümer nach 1945 nicht mehr ausfindig gemacht werden konnten. 

In unserem Beitrag zum Attentat vom 9. Oktober haben wir diese ausführlicher vorgestellt:

Stoppt Antisemitismus – aus der Geschichte lernen. Gemeinsam Blog-Beitrag vom 9. Oktober 2020
 

 

Auch mit der Präsentation der Kunst nach 1945 beziehen wir uns auf unsere Sammlung, die sich für diesen Zeitabschnitt historisch bedingt als eine Sammlung zur Kunst in der ehemaligen DDR darstellt. Im Kern der Präsentation werden offizielle sozialistisch-realistische Positionen kontrastiert mit Werken von Künstlern, die nach Wegen suchten, im Kontakt mit internationalen Entwicklungen zu bleiben bzw. Positionen der Moderne weiterzuentwickeln, Arbeiten beispielsweise von Werner Tübke, Wolfgang Mattheuer, Willi Sitte oder Willi Neubert treffen u. a. auf Werke von Hermann Glöckner, Robert Rehfeldt, Wasja Götze, Hans Ticha oder A. R. Penck und Hartwig Ebersbach. 

 

Und während hier Willi Sittes (1921–2013) Chemiearbeiter am Schaltpult (1968), in den DDR-Schulbüchern gefeiertes Paradebeispiel offiziell propagierter Kunst vor allem hinsichtlich des gewünschten Arbeiterbildes, zu sehen ist, befindet sich nur wenige Meter weiter zum Beispiel Annemirl Bauers (1939–1989) Werk Wehrweiber (undatiert, 1980er Jahre), das das zu diesem Zeitpunkt neue Wehrgesetz der DDR und die darin getroffene Regelung, Frauen auch zum aktiven Dienst an der Waffe verpflichten zu können, offen kritisierte. Wegen ihrer künstlerischen Haltung und schriftlichen Proteste, 1984 adressiert u. a. an den Staatsratsvorsitzenden, Erich Honecker, wurde sie aus dem Verband Bildender Künster der DDR ausgeschlossen.

 

 

Kunst zwischen Anpassung und Emigration bzw. offenem Widerstand in beiden Diktaturen – gezeigt werden beide Seiten.

Unsere demokratische Gesellschaft, die eine ihrer Wurzeln in den Folgen des 9. November 1918 und somit in der Weimarer Republik hat, sieht sich auch heute immer wieder Kräften und Entwicklungen ausgesetzt, die sie bedrohen. Rassismus, Antisemitismus, Antifeminismus und Nationalismus erstarken und finden vor allem in unruhigen und unsicheren Zeiten wie den gegenwärtigen mehr und mehr Zuläufer.  

Museen als Orte der Bildung müssen sich in diesem Spannungsfeld positionieren. Wir haben unsere Sammlungspräsentation so eingerichtet, dass sie die Besucher in Auseinandersetzung mit dem Vergangenen für die Entwicklungen in der Gegenwart sensibilisiert. Wir freuen uns, wenn wir mit unserem Publikum darüber ins Gespräch kommen können, und schaffen dazu immer wieder Anlässe in Form von Diskussionen, Vorträgen oder Lesungen.  

Mehr über den Wandel von Museen zu gesellschaftlichen Diskussionsorten thematisiert der Vortrag „Das Museum als Dritter Ort – Prozess einer Annäherung“ von Dr. Katharina Hoins, Kunsthistorikerin, und Felicitas von Mallinckrodt, Kulturwissenschaftlerin, im Rahmen der Tagung „Smart Cities – Smart Museums? Stadtmuseen im kulturellen Wandel“, die das Potsdam Museum – Forum für Kunst und Gesellschaft in Kooperation mit der Kulturstiftung des Bundes im September 2019 veranstaltet hat.

Smart Cities – Smart Museums?
Vortrag von Dr. Katharina Hoins und Felicitas von Mallinckrodt

Weitere Informationen zur Tagung „Smart Cities – Smart Museums? Stadtmuseen im kulturellen Wandel"

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