24. April 2020

Feenstaub für die Welt

#closedbutopen

Zwischen der Fotografie Karl Lagerfelds, seinen Modeentwürfen, seinen Buchprojekten mit Gerhard Steidl und seinen Werbekampagnen und großen Inszenierungen seiner Modenschauen kann man nicht trennen. Alles hängt miteinander zusammen, geht ineinander über und bildet zusammen ein großes Ganzes. So ist das Fotografieren der neuen Kollektionen für Werbezwecke oft auch ein Auslöser für Lagerfelds freie fotokünstlerische Serien gewesen oder lieferte das Thema einer Modenschau die Inspiration für eine eigenständige fotografische Serie.

Nach seinem Tod sagte sein langjähriges Model Claudia Schiffer über Karl Lagerfeld:

“Karl war mein Feenstaub, er verwandelte mich von einem schüchternen deutschen Mädchen in ein Supermodel. […] Was Warhol für die Kunstszene war, war er für die Modeszene. [...] Er ist die einzige Person, die Schwarz und Weiß bunt machen kann.”

So lieferte die von dem Modelabel FENDI, dessen Chefdesigner Lagerfeld 50 Jahre war, finanzierte Restaurierung des Trevi-Brunnens in Rom von 2013 bis 2015 den Anlass, dass sich Lagerfeld mit den römischen Brunnen beschäftigte, woraus 2013 die Serie The Glory of Water entstand, die wir schon in einem früheren Beitrag vorstellten. 2016 feierte FENDI die Fertigstellung der Restaurierung und sein 90‑jähriges Firmenjubiläum mit einer großen Modenschau im Trevi-Brunnen.

Text: Stephanie Jaeckel, Berlin
Sprecher: Ralf Wendt, Halle (Saale)

2011 nutzte der Zauberer Lagerfeld seinen Feenstaub für die Präsentation des neuen Lagnese-Eises Magnum Temptation Chocolate und kreierte eine ganze Suite aus Schokolade, die der Chocolatier Patrick Roger ausführte. In ihrem Zentrum lagerte die lebensechte Abformung des Körpers von Lagerfelds bevorzugtem männlichen Model, Baptiste Giabiconi, auf dem Schokoladenbett. Eine zweite Abformung wurde in Kunststein ausgeführt und 2013 Teil der aufwendigen Fotoserie Daphnis und Chloë, die wir ebenfalls schon in einem eigenen Blog vorstellten.

Blog-Beitrag zur Foto-Serie „Daphnis und Chloë“

 

Daneben gibt es zahlreiche Fotoserien, stets unterhaltsame Bildgeschichten, die Karl Lagerfeld mit dem ihm eigenen Witz entweder zu eigenen Kollektionen, denen anderer Modelabel oder im Auftrag als kommerzielle Arbeiten entwickelte. Im Unterschied zu kommerzieller Fotografie, wo es vordergründig um die Unterstützung wirtschaftlicher Aspekte einer Marke geht, sind die Editorials keine bezahlten Auftragsarbeiten und steht hier das freie Erzählen einer Geschichte in den bei Lagerfeld meist opulenten Settings im Vordergrund. Natürlich promoten die Models by the way auch die Mode, die sie tragen.

 

Editorial Shoots

In der Ausstellung zeigen wir drei nicht-kommerzielle Fotoserien, Editorial Shoots eigener Kollektionen Karl Lagerfelds für FENDI. Dass Lagerfeld dabei keine Umstände oder gar Kosten scheute, ist bekannt. So mietete er für Suite 3906 im New Yorker Stadteil Brooklyn ein Studio, in dem er ein Zimmer eines der charakteristischen New Yorker Backstein-Häuser errichten ließ, in dem er seine Models mit seiner Mode im Stil des weltbekannten US-amerikanischen Malers Edward Hopper fotografierte. In dieser Kulisse lässt er Baptiste Giabiconi und Anja Rubik in dem für Hopper so typischen kalten, wie eingefroren wirkenden Ambiente posieren. Und auch sich selbst brachte er in die nachgebaute Szene. Das Editorial entstand anlässlich der Herbstkollektion 2010/11 von FENDI.

Für die Serie Fantasy ließ Lagerfeld das Setting von einem Theatermaler anfertigen. Dieser malte wie auf einer Bühne den Prospekt, vor dem Lagerfeld mit den beiden Models Baptiste Giabiconi und Anja Rubik seine FENDI-Frühjahrskollektion 2011 in Szene setzte. In diesem Fall bezieht sich die Bildsprache auf die Gemälde der amerikanischen Malerin Florine Stettheimer. Ihr Salon war in den 1920er und 1930er Jahren ein Kristallisationspunkt der New Yorker Avantgarde-Szene. Ihre in Europa wenig bekannte Malerei war farbintensiv. Sie malte pastos und mit expressiver Geste Szenen aus Clubs oder anderen Treffpunkten des gesellschaftlichen Lebens.

 

Kommerzielle Werbung

Die in der Ausstellung gezeigten Serien Visions and a Decision (Bild ganz oben) mit den Models Claudia Schiffer, Brad Kroenig und Sébastien Jondeau sowie Room Service mit Brad Kroenig und Eva Herzigová sind kommerzielle Shootings aus den Jahren 2006/07 für die Champagner-Marke Dom Pérignon. Die Idee zu Room Service entwickelte Karl Lagerfeld gemeinsam mit Johan Renck. Während Lagerfeld mit viel Augenzwinkern die Story der beiden allein des Nachts im Hotel gestrandeten Models fotografisch erzählt, inszenierte Johan Renck dieselbe mit filmischen Mitteln.

 

Das Video zum Ausstellungsbereich

 

Text: Stephanie Jaeckel, Berlin
Sprecher: Ralf Wendt, Halle (Saale)