31. Mai 2020

Das Pfingstwunder

Als der Tag des Pfingstfestes gekommen war, waren alle zusammen am selben Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.

Neues Testament, Apostelgeschichte 2, 1-4

Pfingsten ist der 50. Tag nach dem Ostersonntag, dem Tag der Auferstehung Christi.

Hier geht's zu unserem Ostersonntags-Beitrag.

In vielen europäischen Sprachen, wie zum Beispiel dem Italienischen (pentecoste), dem Französischen (pentecôte) oder dem Spanischen (pentecostés), leitet sich die Bezeichnung vom altgriechischen pentecoste her. Die deutsche Bezeichnung für das Fest geht auf das mittelhochdeutsche Wort phingesten zurück, das ein Lehnwort des lateinischen pentecoste ist.

Nachdem Christus am dritten Tag nach seinem Tod am Kreuz

Hier geht's zu unserem Karfreitags-Beitrag.

auferstanden ist, berichten die in der Bibel zusammengefassten Überlieferungen mehrere Erscheinungen Christi in Jerusalem, bevor er am 40. Tag nach Ostersonntag in den Himmel auffährt.

Weitere zehn Tage später, zum jüdischen Festes Schawuot, bezeugt die Apostelgeschichte die Aussendung des heiligen Geistes auf die Apostel und die Jünger Christi. Mit der Predigt des Apostels Petrus an diesem Tag entsteht die erste christliche Gemeinde und wird die Kirche als Gemeinschaft der christlich Gläubigen gegründet. Daher gehört das Pfingstfest zu den Hochfesten der christlichen Kirche.

Die Erzählung des Pfingstwunders kann man in der Hörbibel oben auf dieser Seite nachhören.

 

Die Darstellung des Pfingstwunders in der Kunst

In die Bildsprache der Kunst, die sogenannte Ikonographie, ist das Pfingstfest mit der eindrucksvollen Schilderung der Ausgießung des Heiligen Geistes in den ersten vier Versen des 2. Kapitels der Apostelgeschichte eingegangen. Sie erzeugt ein äußerst dynamisches Bild mit Feuerzungen, die sich auf einen jeden niederlassen.

Seit den ersten Bildfindungen für das Geschehens hat sich dessen Darstellungsform in der bildenden Kunst bis heute - über 2000 Jahre - nicht verändert.

So zeigen sowohl die Miniatur im Rabbula-Evangeliar aus dem 6. Jahrhundert nach Christus als auch das eindrucksvolle Mosik in der Apsis des Lukasklosters in der Nähe von Delphi in Griechenland aus dem 11. Jahrhundert denselben Typus wie ihn noch in der klassischen Modernde des frühen 20.Jahrhunderts Künstler wie Emil Nolde anwandten: Die Jünger Jesu sitzen ähnlich wie beim letzten Abendmahl versammelt an einem Tisch; über ihren Köpfen erscheinen kleine Flämmchen, die die biblischen Feuerzungen symbolisieren, in deren Form sich der Heilige Geist über ihnen ausgegießt.

 

Das Pfingstbild von Emil Nolde

Die beiden Gemälde Abendmahl und Pfingsten des expressionistischen Malers Emil Nolde (1867-1956) entstanden beide im selben Jahr: 1909. Das Jahr bezeichnet eine Wende in Leben und Werk des Künstlers. Nach seiner Genesung von einer schweren Erkrankung gibt er mit einer neuen Intensität der Komposition, der Farbigkeit und damit des Gesamtausdrucks religiösen Themen eine bildkünstlerische Gestalt. Die Gemälde strotzen vor Kraft und Energie.

Formal sind beide Werke nahezu gleich angelegt. Um eine Figur im Bildzentrum (im Abendmahl Christus, im Pfingst-Bild Petrus) schaart sich eine Gruppe weiterer Figuren; die gesamte Komposition ist konzentrisch, d.h. kreisförmig auf den Mittelpunkt ausgerichtet, aufgebaut. Knapp ist der Bildausschnitt gewählt; die Farben erreichen eine in Noldes Werk neue Kraft und Intensität. Starke Komplementärkontraste (warm-kalt, hell-dunkel) steigern die Wirkung der einzelnen Farben. Die Gemälde erzielen auf diese Weise eine den Betrachter überwältigende Unmittelbarkeit, die in direkt in das dargestellte Bildgeschehen hineinzieht.

Mit diesen Gemälden war Emil Nolde zu einer neuen Ausdruckskraft gelangt, die ihn zun einem der wichtigen Vertreter des Expressionismus in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg machten. Als er sein Pfingst-Bild 1910 für eine Ausstellung der Berliner Secession einreichte, war es dem Kreis der Künstler um Max Liebermann (1847-1935) zu modern. Man lehnte die öffentliche Präsentation strikt ab; Nolde, der seit 1908 Mitglied der Künstlervereinigung war, wurde ausgeschlossen.

2013 waren beide Gemälde Noldes in unserer Ausstellung Emil Nolde. Farben heiß und heilig zusammen auf einer Wand zu sehen. Anlass war das 100. Jubiläum des Ankaufs des Abendmahls für unsere Sammlung. Mit dieser Erwerbung brachte der damalige Direktor Max Sauerlandt (1880-1934) das Museum national ins Gespräch und begründete er die Moderne-Sammlung, die das Museum bis 1933 zu einem der führenden in der Weimarer Republik machte. Im vergangenen Jahr konnten wir das Abendmahl erneut in Halle (Saale) zeigen als Teil der erfolgreichen Rekonstruktion unserer ersten Moderne-Sammlung, die 1937 von den Nationalsozialisten als "entartet" zerstört wurde.

Hier gibt's ausführliche Informationen zur Ausstellung Bauhaus Meister Moderne. Das Comeback

 

Ebenfalls im vergangenen Jahr thematisierte die Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin mit ihrer Ausstellung Emil Nolde. Eine deutsche Legende Noldes Verhältnis zum Nationalsozialismus und zum Judentum. Ausstellung und Katalog machten einem breiten Publikum die Diskrepanz zwischen Noldes unmissverständlichem Antisemitismus und seiner nationalsozialistischen Gesinnung und seinem künstlerischen Werk deutlich.

Hier geht's zur Ausstellungsseite der Staatlichen Museen zu Berlin

Die Rezension der Ausstellung Emil Nolde. Eine deutsche Legende von Sigrid Hoff in der Jüdischen Allgemeinen, 11.04.2019

Die Rezension der Ausstellung Emil Nolde. Eine deutsche Legende von Ingeborg Ruthe in der Frankfurter Rundschau, 12.04.2019

Die Rezension der Ausstellung Emil Nolde. Farben heiß und heilig von Johannes Wendland im Handelsblatt, 29.04.2013

Die Rezension der Ausstellung Emil Nolde. Die religiösen Bilder von Bernhard Schulz im Tagesspiegel, 24.12.2011

Die Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde

 

Johann Sebastian Bachs Kantate zum Pfingstsonntag 1727 (BWV 34)

1. Chor

O ewiges Feuer, o Ursprung der Liebe,
entzünde die Herzen und weihe sie ein.
Lass himmlische Flammen durchdringen und wallen,
wir wünschen, o Höchster, dein Tempel zu sein,
ach, lass dir die Seelen im Glauben gefallen.

2. Rezitativ (Tenor)

Herr, unsre Herzen halten dir
dein Wort der Wahrheit für:
du willst bei Menschen gerne sein,
drum sei das Herze dein;
Herr, ziehe gnädig ein.
Ein solch erwähltes Heiligtum
hat selbst den grössten Ruhm.

3. Arie (Alt)

Wohl euch, ihr auserwählten Seelen,
Die Gott zur Wohnung ausersehn.
Wer kann ein grösser Heil erwählen?
Wer kann des Segens Menge zählen?
Und dieses ist vom Herrn geschehn.

4. Rezitativ (Bass)

Erwählt sich Gott die heilgen Hütten,
die er mit Heil bewohnt,
so muss er auch den Segen auf sie schütten,
so wird der Sitz des Heiligtums belohnt.
Der Herr ruft über sein geweihtes Haus
das Wort des Segens aus:

5. Chor

Friede über Israel.
Dankt den höchsten Wunderhänden,
dankt, Gott hat an euch gedacht.
Ja, sein Segen wirkt mit Macht,
Friede über Israel,
Friede über euch zu senden.

 

Amsterdam Baroque Orchestra & Choir
Leitung: Ton Koopman
Bogna Bartosz, Alt
Paul Agnew, Tenor
Klaus Mertens, Bass

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