21. Oktober 2022

Stolpersteine für Marguerite Friedlaender, Elsa Frankl und Paul Frankl

 

Auf Initiative von Schülerinnen und Schülern der Marguerite Friedlaender Gesamtschule werden heute, am 21. Oktober 2022, um 10 Uhr in der Dölauer Straße 46 drei neue Stolpersteine verlegt: Sie sind der Keramikerin Marguerite Friedlaender (1896–1985), der Künstlerin Elsa Frankl (1896–1969) und ihrem Ehemann, dem Kunsthistoriker Paul Frankl (1878–1962), gewidmet, die von 1921 bis zu ihrer Vertreibung durch die Nationalsozialisten bis 1933 bzw. 1935 dort wohnten. Durch Emigration konnten sie dem Holocaust entkommen und überlebten in den USA. Bei den vorbereitenden Recherchen von Dr. Katja Schneider-Stief zeigte sich, dass Paul Frankl Eigentümer des Hauses war, in dem Marguerite Friedlaender wohnte. Frankls und Friedlaender waren befreundet und werden darum gemeinsam geehrt.

Mehr Informationen zu den Frankls und Marguerite Friedlaender sowie zur Verlegung der Stolpersteine finden sich hier:

Aktuelle Meldung Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle „Verlegung neuer Stolpersteine für Marguerite Friedlaender sowie Paul und Elsa Frankl“

STOLPERSTEINE ist ein Kunstprojekt für Europa von Gunter Demnig, mit dem erinnert werden soll an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, Sinti und Roma, der politisch Verfolgten, Homosexuellen, Zeugen Jehovas und der Opfer der Euthanasie im Nationalsozialismus. Mehr finden Sie hier:

www.stolpersteine.eu

Das Projekt Stolpersteine in Halle vom Zeit-Geschichte(n) e.V.

Auch in unseren Sammlungen – und als Teil der Dauerausstellung immer zu sehen – haben wir Arbeiten von Marguerite Friedlaender, weshalb wir sie an dieser Stelle stellvertretend für alle drei näher vorstellen möchten.

 

 

Marguerite Friedlaender ist eine der bedeutendsten Künstlerinnen der Moderne in Halle (Saale) und in der Geschichte des modernen Kunsthandwerks und Design. Am Bauhaus ausgebildet und dort von avantgardistischen Impulsen geprägt, leitete sie von 1925 bis 1933 die Keramikklasse an der halleschen Kunstschule in der Burg Giebichenstein und entwickelte sie zu einem weit ausstrahlenden Designzentrum. 1933 wurde sie als Jüdin von den Nationalsozialisten in die Emigration getrieben, konnte sich in den Niederlanden einen erfolgreichen Neuanfang erarbeiten und musste wenige Jahre später weiter in die Vereinigten Staaten auswandern. „Doch der rote Faden meines Lebens hielt“, sagte die Virtuosin der Verbindung von Traditionen mit neuen Formtechniken und Dekors und Gestalterin des ersten sachlichen Porzellangeschirrs der Designgeschichte, der „Halleschen Form“.

Die zunächst am Staatlichen Bauhaus in Weimar tätige Marguerite Friedlaender erhielt 1925 von der Burg Giebichenstein den Auftrag, die Leitung der Keramikabteilung zu übernehmen. Hier wandte sie sich der Gefäßkeramik und der handwerklichen Fertigung von standardisiertem Gebrauchsgeschirr zu. Das Ergebnis war eine Versachlichung des Formenvokabulars mittels Reduktion der Gefäße auf ihre geometrischen Grundformen.

 

Heinrich Koch: Hermes-Service, 1931, Silbergelatine, 240 x 305 mm, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Foto: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt

 

Nachdem im Sommer 1929 in den Werkstätten der Burg Giebichenstein ein Porzellanofen aufgebaut worden war, entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit mit der Staatlichen Porzellanmanufaktur Berlin, die rentable und zeitbezogene Porzellane produzieren wollte. Marguerite Friedlaender stellte eigene Entwürfe zunächst in ihrer halleschen Versuchswerkstatt mit Berliner Porzellanmassen her, die dann leicht modifiziert als „Hallesche Form“ vor allem wegen ihrer Schlichtheit und allein vom Gebrauch bestimmten Form Aufsehen erregten.

Ein berühmtes Objekt der „Halleschen Form“ ist die 1931 entworfene Vase aus weiß glasiertem Porzellan. An den ausgestellten Fuß schließt sich der ovale Korpus an. Dieser geht über in den sich konisch erweiternden Hals mit ausgestellten, nach innen abgeschrägtem Rand. Die Vase wird bis heute in verschiedenen Größen und Ausführungen produziert. Sie ist Teil der Sammlungspräsentation „Wege der Moderne. Kunst in Deutschland im 20. Jahrhundert“ und auch im Museumsladen erhältlich.

Weitere Informationen zur Sammlungspräsentation „Wege der Moderne. Kunst in Deutschland im 20. Jahrhundert“

 

Marguerite Friedlaender-Wildenhain: Hallesche Form, 1931, Porzellan, weiß, glasiert, Höhe 25,3 cm, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Foto: Punctum/Bertram Kober © Charles S. Friedlaender, New York

 

Die zwei Tee-Extraktkännchen, gefertigt im Versuchsofen in Halle (Saale) aus schlicht weiß glasiertem Porzellan, wurden als „Halle Teeservice, klein“ mit der Modellnummer 18944 und als „Halle Teeservice, groß“ mit der Modellnummer 13945 im Juli 1930 in das Berliner Modellbuch eingetragen und auf der Leipziger Frühjahresmesse 1932 erstmals vorgestellt. Der Scherben des Teeservices war wesentlich dünner als der des Kaffee- und des Mokkaservices, was der traditionellen Auffassung von Tee- und Kaffeegeschirren entsprach. Ein Jahr später wurde das Service von Friedlaender durch besonders dünnwandige Koppchen, henkellose Trinkgefäße, ergänzt.

 

 

Das undekorierte Tee-Extraktkännchen aus dem Jahr 1930 mit einem silbernen Griffbügel aus der Metallwerkstatt der Burg Giebichenstein produzierte die Berliner Manufaktur ab Dezember 1931. Die „Hallesche Form“ wurde sowohl mit dem erfolgreichen Dekor „Goldringe“ von Trude Petri (1906–1998) als auch mit durchgefärbtem und dadurch haltbarem Seladonrand angeboten. Daneben wurden auch Varianten mit weniger festlichem, einfarbigem (ziegelrot, türkis, ocker, meergrün, dunkelbraun, hellgrau), schmalem Liniendekor an Standring, Rand und Fahne produziert.

 

 

Die Große Kanne (um 1929) wurde vom Museum bereits 1930 in der Werkstatt der Burg Giebichenstein erworben. Sie ist charakteristisch für die streng geometrische bzw. plastische Formauffassung der Künstlerin. Ihr kugelförmige Bauch verjüngt sich nach oben zu einem kurzen trichterförmigen Hals mit abgesetztem Rand. Der ohrenförmige Henkel verbindet Hals und Bauch und hält sich im Gleichgewicht mit dem gegenüberliegendem runden Ausguss, der sich an den Hals schmiegt. Die Sachlichkeit schlägt sich auch im der Glasur nieder, die sich durch die farbliche Akzentuierung in Anthrazit und Weiß auszeichnet.

 

Marguerite Friedlaender-Wildenhain: Große Krüge, um 1929, Keramik, glasiert sowie gelbroter Ton, weiße Glasur, schwarze Feldspatglasuren mit Mangan und Eisen, Höhe 35–37 cm, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Foto: Christoph Sandig © Charles S. Friedlaender, New York

 

Übrigens: Weitere, selten zu sehende Arbeiten der hier präsentierten künstlerischen Objektfotografie von den beiden halleschen Fotografen Hans Finsler (1891–1972) und Heinrich Koch (1896–1934) präsentieren wir noch bis 8. Januar 2023 in unserer Kabinettausstellung „Stoffe, Texturen, Oberflächen“.

Weitere Informationen zur Ausstellung

 

 

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