08. Februar 2022

Franz Marc:
Plastische Werke im Rhythmus der Natur

 

Franz Marc (1880–1916), dessen Geburtstag sich heute zum 142. Male jährt, ist als Nestor und einer der Hauptvertreter der 1911 gegründeten Künstlervereinigung „Blauer Reiter“ bekannt. Wenig bekannt ist jedoch die Tatsache, dass er nicht nur als Maler, Zeichner und Grafiker tätig war, sondern auch bildhauerische Werke schuf. Als Franz Marc im Alter von 36 Jahren im Ersten Weltkrieg fiel, hinterließ er 16 teils unvollendete Skulpturen und Plastiken, die er in den Jahren zwischen 1904 und 1914 schuf.

 

Franz Marc: Zwei Bären (Modell), 1910, Wachs (Plastilin), 13 x 23 x 16 cm, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Foto: Punctum/Bertram Kober

 

1930 erwarb der damalige Direktor Alois J. Schardt (1889–1955) drei Bronzen und zwei Wachsmodelle für das Städtische Museum für Kunst und Kunstgewerbe – das heutige Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) – von Maria Marc (1876–1955), der Witwe des Künstlers. Darüber hinaus umfasste die Sammlung zu dem Zeitpunkt 5 Gemälde, 3 Aquarelle und 4  Zeichnungen. Damit befand sich in Halle (Saale) der seinerzeit umfangreichste museale Bestand an Werken Franz Marcs in Deutschland. Dies änderte sich mit der barbarischen Aktion „Entartete Kunst“, durch die dem Museum 1937 insgesamt 147 Werke moderner Kunst, darunter 7 Werke Franz Marcs, entrissen wurden. So schwer die Verluste der Aktion, unter der das Museum wie kaum ein anderes leiden musste, noch heute nachwirken, so erfreulich ist es, dass bildhauerische Werke außerhalb des Fokus der Nationalsozialisten und ihrer Helfer standen und Marcs Plastiken und deren Modelle dem Museum erhalten blieben.

 

Die Gattung der Bildhauerei umfasst drei verschiedene Teilbereiche: Skulptur, Plastik und Objektkunst. Ist Letztere erst seit dem Kubismus und dem Dadaismus in der modernen Kunst zu finden und bezeichnet dreidimensionale Werke, die aus unterschiedlichen, oft vorgefundenen und nicht zwangsläufig vom Künstler bearbeiteten Materialien zusammengesetzt sind, sind Skulptur und Plastik schwerer zu unterscheiden: Verkürzt gesagt entstehen Skulpturen durch Wegnahme aus einem festen Stoff (sculpere: lateinisch für schnitzen, meißeln, gravieren), Plastiken werden durch Modellieren und Gießen geschaffen (plássein [πλάσσω]: altgriechisch für bilden, formen).

Im Grunde ist es also falsch, dass die Mehrzahl musealer bildhauerischer Sammlungen als „Skulpturensammlungen“ bezeichnet werden und in der Regel von „Skulpturenparks“ gesprochen wird, ist der Begriff „Plastik“ doch viel umfassender. Ob die allgemeinsprachliche Bezeichnung „Plastik“ für Kunststoff Grund für diese sprachliche Ungenauigkeit ist, ist Gegenstand zahlreicher Forschungen und kann hier nicht weiter erläutert werden.

Unter den Gemälden, die sich bis 1937 im Besitz des halleschen Kunstmuseums befanden, war auch eines der bekanntesten Werke Franz Marcs: Tierschicksale aus dem Jahr 1913. An der Schwelle zu einer abstrakten Malweise entstanden, zeigt es von einer rot leuchtenden Feuersbrunst bedrängte Tiere. Der Künstler selbst vermerkte auf der Rückseite: „Und alles Sein ist flammend Leid“ – Marc selbst interpretierte es in einem Brief aus dem Feld als eine Vorahnung auf die Schrecken des Ersten Weltkrieges.

Nach der Beschlagnahmung des Gemäldes wurde es 1939 gemeinsam mit 20 anderen aus deutschen Museen beschlagnahmten Gemälden von der Stadt Basel für das dortige Kunstmuseum erworben. Die Geschichte dieser Sammlungserweiterung, aber auch die Schicksale der einzelnen Werke und die Folgen dieses kulturpolitischen Gewaltaktes des NS-Regimes wird das Kunstmuseum Basel im Herbst des Jahres in der historisch wie kunsthistorisch ausgerichteten Ausstellung „Zerrissene Moderne. Die Basler Ankäufe «entarteter Kunst»“ aufarbeiten.

Weitere Informationen zur Ausstellung im Kunstmuseum Basel

 

Zusammen mit Leihgaben aus dem Franz-Marc-Museum in Kochel am See, mit dem die Ausstellung gemeinsam konzipiert wurde, dem Münchner Lenbachhaus und dem Schlossmuseum Murnau können die Skulpturen und Plastiken sowie einige Entwürfe ab dem 9. April in einer Kabinettausstellung im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) entdeckt werden. Damit wird Franz Marcs bildhauerisches Schaffen erstmals in einer Ausstellung gewürdigt.

Weitere Informationen zur Ausstellung
„Franz Marc. Skulptur und Plastik“

Den Werken in Bronze, Marmor, Kalk- und Sandstein fehlt die die Gemälde Franz Marcs kennzeichnende leuchtende Farbigkeit und doch weisen sie Merkmale auf, die charakteristisch für sein Schaffen sind. Im Zentrum stehen zumeist Tiere: Schafe, Panther, Pferde, Bären und Katzen.

 

Franz Marc: Der Panther, 1908, Bronze (posthumer Guss, wohl 1928), 9,5 x 12,2 x 10,3 cm (mit Sockel), Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Foto: Punctum/Bertram Kober

 

Stets der Realität verhaftet, war es Marcs Streben, in ihnen neben dem Sichtbaren einen von Bewegung und Dynamik gekennzeichneten Rhythmus der Natur zu vergegenwärtigen. In der künstlerischen Umsetzung fokussierte er sich auf anatomische Aspekte, auf Umrisse und Volumen und rückte naturalistische Details in den Hintergrund.

Ergänzend werden in der Ausstellung Zeichnungen, Aquarelle und druckgrafischen Werke Franz Marcs präsentiert, die sich seit 2004 als Dauerleihgabe aus der Sammlung Kracht im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) befinden und bisher nur selten präsentiert wurden. Sie belegen, dass Marc sich in unterschiedlichen Techniken mit den gleichen Motiven und künstlerischen Fragestellungen beschäftigte. So stehen auch in den Werken auf Papier Tiere im Fokus. Dienten ihm Bleistiftzeichnungen primär als Studien, formulierte Marc Tierdarstellungen in seinen Holzschnitten, Tuschezeichnungen und Aquarellen zu vollendeten Kunstwerken aus.

 

Franz Marc: Tierlegende, 1912, Holzschnitt, 197 x 240 mm, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Foto: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt

 

Zwei Tiergemälde Franz Marcs und „Stars“ der Sammlung des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale), Die weiße Katze und Die gelbe Kuh – letzteres ebenfalls eine Leihgabe der Sammlung Kracht –, werden während der Sonderausstellung nicht zu sehen sein. Sie werden aktuell in der eindrucksvollen Ausstellung zum Thema „Brücke und Blauer Reiter“ präsentiert. Bis zum 27. Februar läuft diese im Von der Heydt-Museum in Wuppertal. Es folgen Stationen in den Kunstsammlungen Chemnitz (27. März–26. Juni 2022) und im Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See (16. Juli–13. November 2002).

Weitere Informationen zur Ausstellung im Von der Heydt-Museum in Wuppertal

 

 

Dafür kommt für die Ausstellung „Skulptur und Plastik“ ein anderes spektakuläres Gemälde Franz Marcs temporär nach Halle (Saale): Große Landschaft I von 1910.

 

Franz Marc: Große Landschaft I, 1910, Öl auf Leinwand, 110,5 x 211,5 cm, Franz Marc Museum Kochel am See, Stiftung Etta und Otto Stangl, Foto: collecto.art

 

Es befand sich seit etwa 1936 im Besitz des ehemaligen halleschen Museumsdirektors Alois J. Schardt, der das Gemälde vermutlich 1939 im Zusammenhang mit seiner Flucht in die USA verkaufte. Es veranschaulicht eindrücklich, wie Marc die Farben zunehmend von der Natur löste und wie er mit nur wenigen Pinselstrichen dynamische Tierkörper im Gemälde darzustellen vermochte.