23. Oktober 2020

Alles unter einem Dach – Alte Meister in der »Burg der Moderne«

 

Unsere Sammlungspräsentation der Kunst des 16. bis 19. Jahrhunderts ist ab dem 24. Oktober in den Räumen des Talamts zu entdecken! Unter anderem mit bisher nie gezeigten Werken – Grund genug, ein paar Einblicke zu geben.

 

Giovanni Francesco Barbieri: Judith mit ihrer Magd, um 1651, Öl auf Leinwand, aufgezogen, 121 x 157 cm, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Foto: Punctum/ Bertram Kober

 

Aus der Präsentation der sakralen Kunst vom Mittelalter bis Barock im Gotischen Gewölbe kommend, führt der Weg direkt zur Kunst des Manierismus und Barock im 16./17. Jahrhundert.

Hier gehts zur Sammlungspräsentation sakraler Kunst vom Mittelalter bis Barock.

Eines der Hauptwerke im ersten Raum ist das Gemälde Judith mit ihrer Magd, eine Kopie nach einem Werk des italienischen Malers Giovanni Francesco Barbieri, genannt Il Guercino (1591‒1666), aus dem Museumsbesitz. Es zeigt eine Szene aus einer Geschichte des Alten Testaments, in der die Israeliten der Stadt Betulia vom Heer des babylonischen König Nebukadnezar II. bedroht und schließlich von der frommen jüdischen Witwe Judith gerettet werden. Judith gelingt es aufgrund ihrer Schönheit und klugen Reden, sich und ihrer Magd Zutritt zum Lager des Heeresführers Holofernes zu verschaffen. Nach einem Festmahl ist Holofernes so betrunken, dass die mit ihm allein gelassene Judith ihm mit seinem eigenen Schwert das Haupt abschlagen kann. Das Gemälde zeigt den Moment kurz danach, als Judith das von ihr abgeschlagene Haupt in einen von ihrer Magd dargebotenen Beutel legt, um damit nach Betulia zurückzukehren. Die Soldaten ergreifen die Flucht als sie ihren gemeuchelten Heeresführer entdecken. Das Barock liebte dramatische, epische Szenen ‒ ob biblisch oder mythologisch, ob Liebe, Verrat oder Mord. Der Tod ist allgegenwärtig.

Mehr von und über Il Guercino gibt's in der Digitalen Sammlung des Städel Museums zu erfahren.

Guercinos Gemälde "Samson von den Philistern ergriffen" im Metropolitan Museum of Art, New York.

Tiere finden sich im 17. und 18. Jahrhundert auf den üppig gedeckten Tafeln, sowohl in den Gemälden als auch in kunsthandwerklicher Feinarbeit. Das Stillleben mit seinen prachtvollen Blumenbouquets und dem Speiseüberfluss erlebte in dieser Zeit vor allem in der niederländischen Malerei sein Blüte. Doch auch die deutsche Tisch- und Trinkkultur brachte virtuose künstlerische Objekte hervor, wie der prunkvolle silberne Tafelaufsatz des halleschen Künstlers Peter Rockenthin (1619–1662) aus unserer Sammlung veranschaulicht. Große Bedeutung hatte zweifelsohne die Gründung der Porzellanmanufaktur Meissen im Jahre 1710, deren Stücke ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sind.

 

 

Das 19. Jahrhundert beschreibt eine Zeit voller Umbrüche, die sich in allen künstlerischen Bereichen widerspiegelt.

Seit dem 18. Jahrhundert sind die Impulse der Romantik und ihrer naturphilosophischen Auffassung spürbar. In der Vergegenwärtigung der Unbedeutsamkeit des eigenen Daseins unterwirft sich der Mensch der Natur. Es entstehen weite, düstere Landschaften und Ruinenbilder – einsam, nur das helle Mondlicht weist den Weg. Bekanntester Vertreter ist Caspar David Friedrich (1774‒1840), dem unsere Klosterruine Oybin mit ihren betenden Mönchen zugeschrieben wird.

 

Ungefähr zur gleichen Zeit arbeitete ein in Halle (Saale) geborener Künstler weit weniger melancholisch: Carl Adolf Senff (1785‒1850) widmete sich vornehmlich der Stilllebenmalerei, insbesondere der Darstellung von Blumen und Früchten. Dies brachte ihm während seines Romaufenthaltes 1816 bis 1848 sogar den Beinamen „Raffaele di fiori“ („Blumenraffael“) ein. Seine Blütenstudien zeugen von seinem Perfektionismus auf diesem Gebiet. Meisterhaft verstand er es auch, diese auf Porträtdarstellungen unterzubringen – einem Sujet, dem er sich durch italienische Inspiration ebenfalls gerne widmete. Diese und viele weitere Werke sind im neuen Senff-Kabinett zu sehen.

 

Italien mit seinen Schätzen beschäftigte auch viele andere Künstler. Während die Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts von einem Italienfieber geradezu befallen war und die Sehnsucht in die Ferne drängte (wir berichteten in einem Blog-Beitrag am 22.07.2020 darüber), balanciert zum Beispiel die Porträtmalerei zwischen Tradition, Publikumsgeschmack und neuen Ideen.

„Hurra Ferien! Ab in den Urlaub!“
Online-Beitrag vom 22. Juli 2020

Der Münchner Malerfürst Franz von Lehnbach (1836‒1904) durchdrang mit seiner realistischen Raffinesse den Charakter des Menschen, traf so den Geschmack der Zeit und porträtierte seit der Jahrhundertmitte das Who is Who der Gesellschaft.

 

 

Künstler wie Carl Schuch (1846‒1903) stehen mit ihren Arbeiten an der Schwelle zur Moderne. Der Hauseingang in Prags (Pustertal) unterstreicht durch die fast banale, doch innovative Komposition sein experimentelles Vorgehen. Es drängt nach draußen und nach vorn. Zusammen mit den anderen ausgestellten Künstlern des ausgehenden 19. Jahrhunderts ebnet er den Übergang in eine neue Epoche mit avantgardistischen Vorstellungen – die Moderne.

Hier geht's zu unserer Sammlungspräsentation „Wege der Moderne. Kunst in Deutschland im 20. Jahrhundert“.

All dies – Malerei, Skulptur und kunsthandwerkliche Schätze – gibt es in der neuen Präsentation der Alten Meister in der »Burg der Moderne« zu bestaunen, mit deren Einrichtung sich der Rundgang durch die Sammlungspräsentation des Museums, in dem man nun über 800 Jahre Kunstgeschichte entdecken kann, vervollständigt.

Weiterer Informationen zur Sammlungspräsentation
„Kunst des 16. bis 19. Jahrhunderts“.