05. Mai 2020

Wasch dein Händ / underlass es nicht 


Gefäße für das Waschen der Hände
#closedbutopen

Die Weltgesundheitsorganisation rief im Jahr 2009 den Tag der Handhygiene aus. Jedes Jahr weist sie symbolisch am 5. Mai darauf hin, dass regelmäßiges Waschen zur Aufrechterhaltung der Gesundheit beiträgt. Dies scheint in Anbetracht der aktuellen Pandemie aktueller denn je zu sein. 

SAVE LIVES: Clean Your Hands auf www.who.int

 

Wir können uns heute ein Leben ohne regelmäßiges Händewaschen nicht vorstellen. Doch das regelmäßige Händewaschen mit Seife und warmem fließendem Wasser ist eine erstaunlich junge Angewohnheit. Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts erkannte der Arzt Ignaz Semmelweis (1818–1865) die Bedeutung für die Gesundheit.

Es dauerte aber noch Jahre, bis sich die von ihm geforderte Des­infek­tion vor den Operationen in der Ärzteschaft durchsetzte. Der Pionier der Hygiene war der bayerische Chemiker Max von Pettenkofer (1818–1901).

 

5,2 Millionen Besucher hatte die erste nationale Hygieneausstellung im Jahr 1911 in Dresden, mit der die Gesundheitsvorsorge ein allgemeines Gut wurde. Kein Geringerer als der Münchner Sezessionskünstler Franz von Stuck (1863–1928) entwickelte nach einem Entwurf von Willi Petzold (1885–1978) das dekorative Plakatmotiv mit einem sehenden Auge, das auch in einer monumentalen Medaille der 1. Dresdner Medaillenmünze Glaser & Sohn GmbH verwendet wurde. Diese Medaille ist in unserer Sammlungspräsentation Wege der Moderne zu sehen. 

Weitere Informationen zur Sammlungspräsentation
WEGE DER MODERNE

Im Altertum, Mittelalter und in der Neuzeit wuschen sich die Menschen ihre Hände hauptsächlich nach den Mahlzeiten, die vor allem mit den Fingern eingenommen wurden. Das Regimen Sanitatis Salernitanum, auf der Medizinschule von Salerno basierend, empfahl zwar im 13. Jahrhundert das Reinigen der Hände. In einer volkstümlichen Übersetzung aus dem Jahr 1559 heißt es: „Wasch dein Händ / underlass es nicht / Du reinigst dich.“ Doch die überlieferten Zeugnisse in der bildenden und angewandten Kunst zeigen, dass sich die Praxis der Handwaschung auf die Fingerspitzen reduzierte.

 

Im Psalter von Bonmont (1260) ist die symbolische Waschung von Pilatus’ Händen in die Gegenwart der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts versetzt und nahezu realistisch dargestellt. Aus einem kunstvoll gestalteten Gefäß wird Wasser über die Hände von Pilatus gegossen. Von diesen Aquamanile genannten Gefäßen haben sich mehrere Hundert erhalten. Zumeist sind es Metallgefäße in Form von Löwen oder anderen Tieren. Sie dienten einerseits zur rituellen Reinigung der Hände von Priestern im Gottesdienst, andererseits zelebrierte man mit ihnen an der profanen Tafel auch die Standesunterschiede. Die Redensart „einem das Wasser nicht reichen zu können“ bewahrt die soziale Differenzierung bei den höfischen Gastmahlen. Gegessen wurde mit den Fingern. Auch deshalb war ihre Reinigung nach dem Essen nicht allein ein Luxus.

 

Das Löwen-Aquamanile des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale), 1914 im Kunsthandel erworben, ist stilistisch in das 13. Jahrhundert zu datieren. Das ausgesprochene Prunkgefäß stammt wahrscheinlich aus einer norddeutschen Bronzegusswerkstatt. Der Löwe symbolisiert vermutlich Christus.

Das Aquamanile dokumentiert das Luxusverständnis, insbesondere im Vergleich mit dem Reiter-Aquamanile aus Irdenware, das in Schkeuditz entdeckt wurde und vermutlich einem niederen adligen Haushalt entstammt. Es zeigt mit dem Reitenden in Rüstung und seinen Waffen typische Rangzeichen des Rittertums und diente für den Gebrauch im profanen Bereich. Derzeit ist nur ein zweites, fragmentarisch überliefertes Reiter-Aquamanile im Museum Schloss Neuenburg in Mitteldeutschland bekannt, was die Seltenheit dieser Gefäße unterstreicht, die in der Renaissance aus der Mode kamen.

 

Das mit Abstand bedeutendste mittelalterliche Zeugnis aus Halle (Saale) für eine rituelle Handwaschung ist die Hallesche Ottoschale. Sie wurde 1913 beim Bau des Vereinshauses St. Nikolai (Gildenhaus, heute Wenzel Prager Bierstuben) in der Großen Nikolaistraße entdeckt und kam als Geschenk der Rauchfuß-Brauerei in die Museumssammlung.

Sie ist sorgfältig aus heller Bronze getrieben. Der Boden ist aufgewölbt, die Innenflächen sind reich mit gravierten und gestanzten Ornamentbändern verziert. Auf der Bodenwölbung befindet sich ein als einseitiger Brakteat geprägtes Medaillon mit der Darstellung eines gekrönten Herrschers. Dieser ist mit dem Namen OTTO bezeichnet. Der Randstreifen enthält eine Inschrift in romanischer Kapitale: HIE(RUSALEM V)ISIO PACIS, übertragen: Jerusalem, Bild (Schau) des Friedens. Das Gefäß steht in engstem Zusammenhang mit ähnlichen Schalen in Riga und Montelupo Fiorentino.  

Der Gebrauch von Aquamanilen und Schüsseln wurde in der frühen Neuzeit durch Waschbecken ergänzt. Ein schönes Beispiel aus dem späten 17. Jahrhundert befindet sich im Gerichtszimmer des Talamtes in der Moritzburg. Über dem Becken befand sich ursprünglich ein mit Wasser zu füllender Lavabo-Kessel. Ein Beispiel für diese typische Gefäßform mit einem Bügelhenkel und zwei Ausgüssen verdeutlicht ein spätmittelalterliches irdenes Gießgefäß. 

 

Das Zeitalter des Barock hielt nicht allzu viel vom Händewaschen. Puder, Cremes und Öle schlossen die Poren der Haut und bildeten eine vermeintliche Schutzschicht gegen allerlei Krankheiten. Die Tradition der Fingerspitzenreinigung an der Tafel blieb aber bestehen. Nur kamen jetzt Garnituren in Mode. Die erste bekannte aus Mitteldeutschland entstand 1732 in der halleschen Goldschmiedewerkstatt von August Hosse. Das elegante Lavabo steht singulär in seinem bekannten Œuvre. Es konnte 2018 mit großzügiger Unterstützung durch die Ernst von Siemens Kunststiftung für das Museum erworben werden.