Stifter & Schenker III

Wege zur Burg der Moderne
1911: Die Museumsgesellschaft


Der dritte Teil des Forschungs-, Ausstellungs- und Publi­kations­projekts Stifter & Schenker der Freunde und Förderer des Kunst­museums Moritz­burg Halle (Saale) stellte zwei historische Förder­vereine des Museums vor und präsentierte ihre bedeutendsten Erwerbungen, die erstmals ausführlich erforscht und dokumentiert worden sind. Die Ausstellung war vom 1. Oktober 2022 bis 8. Januar 2023 in der sogenannten Nordbox des Kunstmuseums zu sehen.

Weitere Informationen zur Ausstellung

1885 gründete die Stadt Halle (Saale) ihr kommunales Kunst­museum, das heutige Landes­kunst­museum Sachsen-Anhalt. Bis zur Jahr­hundert­wende 1900 zieht sich durch die Berichte über die Entwicklung der Sammlungs­bestände die Klage, dass das Museum mit viel zu geringen finanziellen Mitteln ausgestattet sei, um die Bestände gezielt entwickeln zu können. Im ersten Jahrzehnt erweiterten sich die Sammlungen daher vornehmlich durch Schenkungen aus der halleschen Bürgerschaft.

Um dem Museum ein konzep­tionel­leres Vorgehen zu ermöglichen, rief sein erster Leiter, der Rentier Franz Otto (1832–1901), im Juni 1898 unter Vorsitz des Ober­bürger­meisters Gustav Staude (1843–1909) den Museums­verein ins Leben. In seiner Schrift über die ersten 15 Jahre des Museums von 1885 bis 1900 bemerkte Otto: „immer mehr befestigte sich die Ueberzeugung, dass die aufstrebenden grossen Communen nicht allein die Mittel zur Dotirung solcher Institute für die Volksbildung gewähren würden oder könnten.“ Viele Erwerbungen aus Vereins­mitteln waren offenbar nicht möglich, können wir heute doch nur 8 Schenkungen von Objekten der bildenden Kunst im Wert von 4.525 Mark (etwa 32.500 Euro) nachweisen, die im Wesent­lichen zu Leb­zeiten Ottos zwischen 1899 und 1901 erfolgten.

Gut ein Jahrzehnt später, im Dezember 1911, rief Ottos Nachfolger im Amt, Max Sauerlandt (1880–1934), im Verbund mit Staudes Nachfolger als Ober­bürger­meister, Richard Robert Rive (1864–1947), ein ähnliches die Erweiterung der Museums­samm­lungen förderndes Konstrukt ins Leben, die Museums­gesell­schaft. Auch sie war vornehmlich an den Tätigkeits­zeit­raum des Direktors Sauerlandt gebunden, der 1914 zum Kriegsdienst eingezogen wurde und 1919 nach Hamburg ging. So gelangten die Erwerbungen durch die Museums­gesell­schaft fast ausschließlich zwischen 1912 und 1914 in die Samm­lungen. Es handelt sich hierbei um 100 Werke der angewandten Kunst im Wert von 15.250 Mark (in etwa 85.400 Euro).


1898: Der Museumsverein

Unter seinem ehrenamtlichen Leiter, dem Rentier und Stadtverordneten Franz Otto, entwickelte sich die Sammlung des 1885 gegründeten Städtischen Museums für Kunst und Kunstgewerbe sehr schnell durch Schenkungen aus der Bürgerschaft der Saalestadt. Von anfänglich etwa 40 Kunst­gegen­ständen war sie 1897 auf mehr als 1 800 Objekte angewachsen. 1898 wurde ein Museumsverein ins Leben gerufen, über den Otto 5 Gemälde, darunter 2 Arbeiten von Max Liebermann, ein Renaissance-Relief und eine Prunkschale als Schenkungen erwerben konnte. Nach Ottos Tod im Jahr 1901 erfolgte 1905 nur noch eine weitere Gemälde-Schenkung und stellte der Verein seine Tätigkeit ein.


1911: Die Museumsgesellschaft

Auf Initiative und Betreiben Max Sauerlandts hin gründete sich im Dezember 1911 in Halle (Saale) die Museumsgesellschaft. Ihr Zweck war gemäß ihrer Satzung die Förderung des damals städtischen Museums, der privaten Sammeltätigkeit und des Kunstinteresses im Allgemeinen. Vor allem jedoch sollten aus den jährlichen Mitgliedsbeiträgen Ankäufe zugunsten des Museums getätigt werden. Der jährliche Beitrag belief sich auf 100 Mark, was in heutige Kaufkraft umgerechnet in etwa 580 Euro entspricht. Für einen Betrag von 5.000 Mark (ca. 29.000 Euro) erwarb man eine lebenslange Mitgliedschaft. Bereits zu Beginn des Jahres 1912 verzeichnete die Gesellschaft 50 Mitglieder, darunter so bedeutende Personen der halleschen Stadtgesellschaft wie der Kunsthistoriker Prof. Dr. Adolph Goldschmidt, die Unternehmer Carl Haenert, Friedrich Kuhnt und Felix Weiße, der Verleger Karl Knapp oder Mitglieder der Bankiersfamilien Steckner und Lehmann. Bis zur Liquidierung der Gesellschaft im Jahr 1929 umfasste das Mitgliederverzeichnis mehr als 100 Personen. Sie vermachten dem Museum 100 Objekte in einem Gesamtwert von fast 17.000 Mark (ca. 95.200 Euro).

Museumsdirektor Max Sauerlandt stand damit bei seinen ambitionierten Plänen der Profilierung des Museums ein finanzkräftiges Gremium zur Seite, mit dessen Hilfe er wertvolle Objekte für die im Museumsgebäude in der Moritzburg präsentierte Sammlung angewandter Kunst erwarb. Sie ergänzten entweder vorhandene Werkgruppen oder standen in einem zielgerichteten Kontext mit Erwerbungen über andere Quellen. Der teuerste Sammlungszugang über die Museumsgesellschaft war 1914 für 1.500 Mark (ca. 8.400 Euro) die Porträt-Büste Friedrich Nicolais aus der Werkstatt von Johann Gottfried Schadow.

De Paeuw, Delft, Niederlande, Werkstatt: Flaschenvasen, 1719–1725, Fayence, Scharffeuermalerei, Lackfarben, 37 cm, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Foto: Punctum/Bertram Kober

1825 erhielt die Bibliothek der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg die Porträt-Büste Friedrich Nicolais geschenkt. Sie stammte aus dem einstigen Besitz des bedeutenden Schriftstellers der Aufklärung. 1798 hatte sie Johann Gottfried Schadow in Berlin gefertigt. Die Gipsabformung in Nicolais Besitz dürfte eine der ersten Abformungen vom Ton-Original gewesen sein.

1909 lieh sich die Königliche Akademie der Künste diese Büste für ihre große Schadow-Retrospektive. In diesem Zusammenhang erkannte man sowohl in Berlin als auch in Halle (Saale) den Wert dieses plastischen Porträts, sodass es sowohl die Nationalgalerie als auch das hallesche Kunstmuseum erwerben wollten. 1914 konnte der hallesche Museumsdirektor Max Sauerlandt triumphierend vermelden, dass er über die Museumsgesellschaft den Gips für die Museumssammlungen sichern und eine Ersatzabformung für die Universitätsbibliothek anfertigen lassen konnte.

Der heute leider als verloren zu beklagende Original-Gips aus dem Besitz Friedrich Nicolais war 1914 die wertvollste Schenkung der Museumsgesellschaft. Heute gibt es in Halle (Saale) zwei Ausführungen des Nicolai-Porträts in Gips sowie in der Berliner Nationalgalerie eine weitere in Gips und eine in Bronze. Im Rahmen der Ausstellung wurden alle vier Büsten erstmals in einer Zusammenschau präsentiert und der sich um sie rankende Provenienz-„Krimi“ erzählt.

Blick in die Ausstellung

Publikation

Wege zur Burg der Mo­der­ne. 1911: Mu­se­ums­ge­sell­schaft

Die Stifter & Schenker des Kunst­mu­se­ums Mo­ritz­burg Hal­le (Saa­le), Band 3

Hrsg. Freun­de und För­de­rer des Kunst­mu­se­ums Mo­ritz­burg Hal­le (Saa­le) e. V. und Kunst­mu­se­um Mo­ritz­burg Hal­le (Saale)

zur gleichnamigen Ausstellung 01.102022–08.01.2023

Halle (Saale) : Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), 2022

14,90 Euro

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Forschungsreihe Stifter & Schenker

Das Stiften und Schenken hat eine große Tradition im musealen Kontext. Seit 2011 erforschen junge Kunst­histo­riker im Auf­trag der Freunde und För­derer des Kunst­mu­seums Moritz­burg Halle (Saale) e. V. die­sen außer­ordent­lich wich­tigen Aspekt der Museums­ge­schichte.

Eine mehrteilige Aus­stellungs- und Publi­kations­reihe, initiiert von den Freun­den und Förde­rern des Kunst­mu­seums Moritz­burg Halle (Saale) e. V., wird in den kom­menden Jahren die wichtig­sten Schen­kungen und ihre Stifter in der mehr als 130-jährigen Geschichte des Museums vor­stellen. Potential und Vielfalt bürger­lichen Engage­ments sollen auf diese Weise sichtbar werden.

Freunde und Förderer des Kunstmuseums Moritzburg
Halle (Saale) e. V.

 

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