Die „Sammlung“ von Emil Riebeck
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Um die verschiedenen Aspekte des Sammelns zu verdeutlichen, verwenden wir in den Texten unterschiedliche Formatierungen des Wortes „Sammlung“.
Emil Riebeck trug seine Objekte mit einem vorwiegend wissenschaftlichen Interesse zusammen; weil wir jedoch nicht im Detail über die Erwerbsumstände informiert sind, setzen wir seine „Sammlung“ in Anführungszeichen.

Der wissenschaftlich interessierte Weltreisende und Organisator von Expeditionen Emil Riebeck (1853–1885) trug auf seiner ersten ausgedehnten Reise durch Asien von 1880 bis 1883 eine sehr umfangreiche „Sammlung“ zusammen, die ab Oktober 1883 in Halle (Saale) im alten Bibliotheksgebäude der Universität am Paradeplatz (heute Friedemann-Bach-Platz) präsentiert wurde. Ab Februar 1884 zeigte sie das Berliner Kunstgewerbemuseum.

Die „Sammlung“ enthielt vor allem Gebrauchs- und Luxusgegenstände aus China, Japan, Indien, Persien, Griechenland, Ägypten, Palästina und dem Kaukasus. Mit Porzellanen, Möbeln, Musikinstrumenten, Gebetsmühlen, Seidenbildern und -gewändern, Stoffen, Schuhen, Laternen, Waffen, Matten, Teppichen, Tonwaren, Bronzen, Elfenbeinarbeiten und Lackwaren stellte sie ein regelrechtes ethnologisches Museum dar. Riebeck erwarb neben erstklassigen Antiquitäten auch zeitgenössische Produkte des Kunsthandwerks.
Biographie Emil Riebeck (1853–1885)

Emil Riebeck wuchs als Sohn des Montanindustriellen Carl Adolph Riebeck (1821 – 1883) in Weißenfels und Halle (Saale) auf, studierte Naturwissenschaften und wurde im Fach Chemie promoviert. Er war Mitglied in deutschen und britischen Gelehrtengesellschaften. Nach dem Tod des Vaters 1883 wurde er zusammen mit seinem jüngeren Bruder Paul (1859 – 1889) Vorstand des in die A. Riebeck’sche Montanwerke Aktiengesellschaft umgewandelten Familienunternehmens.
Emil Riebeck reiste 1876 zunächst durch den Westen Nordamerikas. Im Frühjahr 1880 brach er zu einer mehrjährigen Reise durch Asien auf über die Krim durch den Kaukasus nach Konstantinopel (heute Istanbul) und weiter durch Griechenland, Kleinasien, das frühere Phönizien, Syrien und Jerusalem. 1881 ermöglichte er die Erforschung von Sokotra (heute eine Insel der Republik Jemen). Im Anschluss durchquerte er Indien, den Urwald von Chittagong (heute Bangladesch), besuchte die Länder Südostasiens, Japan und China. Im April 1883 kehrte er in seine Heimatstadt zurück. Weitere wissenschaftliche Expeditionen wurden von ihm finanziert. 1885 plante er eine zweite mehrjährige Reise durch Nord- und Südamerika, Afrika und die Inselwelt des Pazifiks.
Für seine Verdienste wurde er u. a. 1884 durch den Preußischen König mit dem Roten Adlerorden 4. Klasse und 1885 durch den König von Portugal mit dem Orden Unserer Lieben Frauen von der Empfängnis Villa Vicosa mit Stern sowie durch den König von Serbien mit dem Tacora-Orden geehrt.
Nach einer Lungenerkrankung verstarb Emil Riebeck am 22. Juni 1885 und wurde in der Familiengruft auf dem halleschen Stadtgottesacker beigesetzt. Neu entdeckte Pflanzen- und Tierarten wurden nach ihm benannt. Vermutlich trägt auch die Riebeck-Bay (Riebecksbai) in Papua-Neuguinea (Bucht der Insel Neubritannien im Bismarck-Archipel) seinen Namen. Über Riebecks persönliche Haltung zu den kolonialen Bestrebungen des deutschen Kaiserreichs sind wir nicht informiert, jedoch beschreiben ihn zeitgenössische Zeitungsberichte als einen der „eifrigsten Verfechter“ der deutschen Kolonialpolitik (Illustrierte Zeitung, 20.09.1884).
Große Teile seiner „Sammlung“ schenkten Emil Riebeck und sein Bruder Paul den Museen in Berlin, Dresden, Wien und Weimar. Emil Riebecks Nachlass erbte nach seinem frühen Tod im Sommer 1885 sein Bruder Paul, der seinerseits testamentarisch die Stadt Halle (Saale) als Universalerbin bestimmte. Sie errichtete nach seinem Tod 1889 mittels des Riebeck’schen Vermögens 1894 bis 1896 ein Alten- und Krankenheim, das Riebeck-Stift. Die geerbte „Sammlung“ von 697 Werken aus Asien wurde auf Initiative von Franz Otto (1832– 1901), dem Leiter des städtischen Museums, in die kommunalen Kunstbestände integriert und von 1891 bis 1912 in den Museumsräumen am Großen Berlin sowie von 1913 bis 1917 in einer kleineren Auswahl in den neuen Museumsräumen in der Moritzburg „gleichsam als eine Enklave asiatischen Kunsthandwerks“ ( Saale-Zeitung, 12.07.1913) präsentiert. Zusammen mit der Hellwig’schen Sammlung verwahrte das hallesche Kunstmuseum um 1900 mehr als 2.500 Objekte aus nicht-europäischen Kulturen.


Im Jahr 1920 beschloss die Stadt Halle (Saale) die Veräußerung der Riebeck’schen „Sammlung“. Richard Graul vom Kunstgewerbemuseum in Leipzig hatte sie „auf ihre museale Brauchbarkeit besichtigt“ und dem Museum attestiert, dass sie „ohne Bedenken zu Gunsten des Museums veräussert werden kann. Einige kunsttechnisch oder kunstgeschichtlich interessante Gegenstände wurden zur weiteren Bewahrung im Museum empfohlen.“ Im März 1921 begann der Verkauf im Berliner Auktionshaus Rudolph Lepke. Der Erlös aus der Versteigerung von 316 Werken betrug knapp 100.000 Mark – mehr als das Dreifache der Schätzung. Er sollte der weiteren Finanzierung des Museums dienen. Mit der grassierenden Inflation der Folgejahre reduzierte sich der Betrag jedoch schnell. Heute befinden sich noch 40 Werke sowie mehr als 300 Münzen im Bestand des Museums.


