17. April 2020

Karl Lagerfeld:
Hommage à Feininger
1990

#closedbutopen

Als eine seiner frühen Hommagen an bedeutende Maler der klassischen Moderne entstand 1990 Lagerfelds Verneigung vor dem Bauhaus-Meister Lyonel Feininger (1871–1956). Dessen Schaffen ist nicht nur eng mit der Entwicklung der modernen Kunst in Deutschland und Europa verbunden sondern sehr eng auch mit der Stadt Halle (Saale) und unserem Museum, denn von 1929 bis 1931 war er als Gast der Stadt Artist in Residence unseres Museums und hatte sein Atelier im Obergeschoss des Torturms der Moritzburg.

 

Dort entstand der berühmte 11-teilige Gemäldezyklus, von dem heute drei Gemälde wieder Teil unserer Sammlung sind; ein viertes, der Rote Turm II, ist derzeit als befristete Leihgabe der Stiftung Sammlung Ziegler im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr bei uns zu sehen.

 

Karl Lagerfeld war jedoch gar nicht von den Werken Feiningers aus den 1920er Jahren angetan, sondern von dessen heute weniger im Fokus stehenden frühen Gemälden aus den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg. 2005 drückte es Lagerfeld mit seinen eigenen Worten wie folgt aus:

 

Fast jeder kennt Lyonel Feininger, den Bauhausmeister, und seine berühmten Bilder von Schiffen und Kathedralen. Unerklärlicherweise sind seine frühen Ölbilder, die meistens von seinen eigenen, um die Jahrhundertwende so berühmten Karikaturen inspiriert sind, viel weniger bekannt. Bevor er ein berühmter Maler wurde, war er einer der großen Karikaturisten der ersten Jahre des 20. Jahrhunderts.

[...]

Er war durch Zeitschriften wie „Das Narrenschiff“ und „Die Lustigen Blätter“ ein bekannter Zeichner geworden. Um 1906 hat er damit begonnen, seine bekanntesten Karikaturen und Illustrationen in Ölbilder umzusetzen. Diese Bilder habe ich erst als erwachsener Mensch entdeckt, aber schon als Kind hatte ich alle eingebundenen Ausgaben der berühmten satirischen Zeitschriften auf dem Boden unseres Landhauses in Schleswig-Holstein entdeckt und intensiv studiert.

[…]

Bilder wie „Die Zeitungsleser“ von 1909, „Das Kanalisationsloch“ von 1908 und den berühmten „Weißen Mann“ der Thyssen-Bornemisza-Sammlung kannte ich als Karikaturen. [...] Viele Werke dieser Zeit sind auch in Paris entstanden, und sie haben mich zu den Photographien inspiriert. Sie sind mehr wie „Bilder“ denn wie „Photos“ gestaltet. [...]

Ein sehr interessantes Werk aus dieser Phase ist ebenfalls in unserer Sammlungspräsentation Wege der Moderne zu sehen.

Weitere Informationen zur Sammlungspräsentation
WEGE DER MODERNE

Das Gemälde An der Seine, Paris war ursprünglich 1912 entstanden, nachdem der Maler im Jahr zuvor in der Stadt an der Seine weilte, wo er an einer Ausstellung teilnahm. Während seines Aufenthaltes in Paris zeichnete Feininger in der Stadt und in ihrer Umgebung. Zahlreiche Skizzen entstanden am Ufer der Seine nahe dem Louvre am Pont du Carrousel. Das lebhafte Treiben beim Entladen der Frachtschiffe hielt er 1912 in einem Gemälde fest. Zu dieser Zeit begann Feininger, die ihm eigene Bildsprache, seinen sogenannten Prismaismus, zu entwickeln. Das Bild An der Seine, Paris ankert jedoch noch fest in der figurativen Schaffensphase der zurückliegenden Jahre.

 

Vermutlich während seiner Zeit am Bauhaus in Dessau versuchte Feininger, die Komposition umzuarbeiten. Er trennte den oberen Bildstreifen der Leinwand mit Bäumen, Häusern und Figuren ab und vereinfachte die Komposition, um das Bild seinem inzwischen erreichten reifen künstlerischen Stil anzupassen.

Die kunsttechnologischen Untersuchungen des Gemäldes schufen Klarheit über die zahlreichen Änderungen, welche der Künstler bis zur Verwerfung des Bildes vorgenommen hat. Die meisten Partien wurden fünf- bis sechsmal übermalt, wobei vor allem die Farbigkeit verändert wurde, die Komposition des Bildes aber unangetastet blieb. Dies änderte sich erst mit den letzten Arbeitsschritten, die vor allem auf die Reduktion zahlreicher Einzelheiten zielten. Letztlich gelangte der Künstler zu keinem befriedigenden Ergebnis und ließ das Werk unvollendet zurück.

 

Lagerfelds Hommage à Feininger

Seine Feininger-Hommage schuf Karl Lagerfeld als Editorial Shoot für sein eigenes Label Karl Lagerfeld. 2005 erinnerte er sich:

"Es handelt sich da um Mode von heute, die aber nur eine Nebenrolle in der Komposition der Bilder spielt, obwohl sie durchaus nicht als klassisch betrachtet werden kann. Es ist eine „Hommage à Feininger“ und ein Versuch, diesen von mir so geliebten Teil seines Werkes durch eine andere Technik und Ausdrucksform frei zu interpretieren. Es ist ein bescheidener Versuch, der aber den lähmenden Effekt großer und oft steriler Bewunderung vermeiden möchte."

Die Models tragen Lagerfelds Kollektion und posieren im Setting, das an die frühen Gemälde Feiningers aus den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg erinnert. Wie immer in diesen Fotostrecken bindet Lagerfeld auch hier die einzelnen Motive durch einen Geschichte zusammen, sodass die Models fast beiläufig seine Mode präsentieren. Das Setting wurde von einem Theatermaler geschaffen. Wie vor einem Bühnenprospekt fotografierte Lagerfeld seine Models im Studio.

 

 

Das Video zum Ausstellungsbereich

 

Text: Stephanie Jaeckel, Berlin
Sprecher: Ralf Wendt, Halle (Saale)