15. November 2020

Die Hallesche Perlhaube – ein Schmuckstück voller Superlative

Entdeckungen #2

 

In ihrer Pracht und Kostbarkeit ist die Hallesche Perlhaube ein einzigartiger Kopfschmuck für eine Braut. Hunderte kleine Süßwasserperlen sind auf einem feinen Drahtgeflecht aufgefädelt, hellblau emaillierte Gewandschmuckteile fallen als besondere Verzierungen sofort ins Auge, filigranste Rosetten, Blüten und Architekturen aus feinstem Golddraht sind großartige Meisterwerke der Miniaturkunst.

Die Haube ist das schönste profane Zeugnis der halleschen Perl- und Seidenstickerei des späten 16. Jahrhunderts, deren bekanntester Vertreter Hans Plock (1490–1570) war. In der Idee vergleichbare Objekte lassen sich aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Halleschen Heilthum Kardinal Albrechts (1490–1545) finden. Auf der für das Neue Stift bestimmten Erasmus-Mauritius-Tafel malte z. B. Matthias Grünewald (1470–1528) eine lebensgroße silberne Statue des heiligen Moritz (gest. 287). Sie krönt ein Diadem aus Perlen.

 

Die Haube wurde im Sommer 1901 in der halleschen Altstadt bei Bauarbeiten entdeckt. Die Finder zerlegten den Schatz, um ihn untereinander aufzuteilen. Der erste Fachmann, der die Objekte begutachten konnte, war der damalige Direktor des Berliner Kunstgewerbemuseums, Julius Lessing (1843–1908), der „trotz der höchst bedauerlichen Zerstörung“ hier ein „Stück von ganz ungewöhnlicher Schönheit und Seltenheit“ sah. Unter seiner Anleitung rekonstruierte im Jahr 1904 der Berliner Juwelier Hugo Schaper (1844–1915) die Haube. Es ist zu vermuten, dass der ungemein wertvolle Schatz spätestens bei der Besetzung der Saalestadt durch Wallensteins (1583–1634) Truppen 1625 vor der drohenden Plünderung versteckt wurde.

 

Brautkronen sind die älteste Schmuckform der ledigen Frau. Brautschleier und Brautkranz ergänzen sie in ihrer Funktion als Unheil abwehrendes und Glück versprechendes Ehrenzeichen. Wie der Trauring oder die Treuebrosche gehört die Brautkrone zum konfessionsübergreifenden Kanon der Heiratszeremonien in den verschiedensten Kulturen der Welt. Im Gegensatz zu den ein Leben lang getragenen Ringen symbolisiert die Brautkrone den Übergang in einen neuen Lebensabschnitt der Braut. Ihre Stilistik leitet sich von den im 15. Jahrhundert als Bekrönung der Jungfrau Maria entwickelten Perlenkränzen her. Ab Mitte des 16. Jahrhunderts etablierten sich reich mit Edelsteinen und Perlen besetzte netzkappenförmige Hauben nicht nur in Mitteldeutschland.

Die Perlhaube belegt den hohen ästhetischen Anspruch des wohlhabenden und selbstbewussten städtischen Bürgertums in einer Blütezeit unserer Stadt. Sie ist ohne Zweifel das faszinierendste Schatzkunstobjekt in der Sammlung des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale). Und sie war das erste Kunstwerk, das im 1904 neu eröffneten Museumsneubau, dem Talamt in der Moritzburg, ausgestellt wurde. Präsentiert wurde sie damals (wie auch jetzt wieder) im Festzimmer, das wegen der Haube viele Jahre auch als Brautzimmer bezeichnet wurde.

Die Perlhaube wurde mit Unterstützung der Freunde und Förderer des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale) e. V. vor wenigen Jahren aufwändig restauriert und erstrahlt so in einem neuen Glanz. Sie kann derzeit in der neuen Sammlungspräsentation Alte Meister in der »Burg der Moderne« bestaunt werden.

Weitere Informationen zur Sammlungspräsentation
Alte Meister in der »Burg der Moderne«