12. September 2020

Ein ganz besonderes Kleinod: die Maria-Madgalenen-Kapelle

Zum Tag des offenen Denkmals

Seit 1993 gibt es den Tag des offenen Denkmals. Er hat sich schnell zur größten Kulturveranstaltung in Deutschland entwickelt. In diesem Jahr kann er nicht wie gewohnt hunderttausende Menschen zu Ausflügen locken. Dafür werden unzählige digitale Angebote uns den Reichtum unseres Landes vor Augen führen. Die Moritzburg gehört zweifellos zu den imposantesten Baudenkmalen inmitten der Saalestadt. Sie war ein prunkvoller Kristallisationspunkt der frühen Renaissance und romantische Ruine im 19. Jahrhundert. Heute bestimmt das in ihr seit mehr als einhundert Jahren beheimatete Kunstmuseum ihre Wahrnehmung und Ausstrahlung. Es lohnt sich aber auch über die Ausstellungen hinaus die wechselvolle Geschichte der Residenzanlage zu entdecken.

Viel zu selten wird die Maria-Magdalenen-Kapelle besucht. Sie wurde von Erzbischof Ernst von Wettin (1464–1513) 1509 geweiht und führt seitdem ein eigenes Wappen. Ernst ließ hier sein Herz bestatten; es gilt jedoch seit der Zerstörung 1637 als verschollen. Nur drei Wochen nach dem Amtsantritt seines Nachfolgers, Kardinal Albrecht von Brandenburg (1490–1545), ließ dieser die Kapelle zur zweitwichtigsten Kirche des Erzbistums Magdeburg erheben. Die Kapelle war damit die Schatzkammer für das Hallesche Heiltum, das hier zuletzt 1521 präsentiert wurde.

 

 

Vor 500 Jahren erschien das Hallesche Heiltumsbuch. Heute ist das erste in Halle (Saale) gedruckte Buch neben dem Aschaffenburger Kodex ein religionsgeschichtliches und kunsthistorisches Zeugnis ersten Ranges, genau genommen ist es einer der ersten Kunstkataloge der Welt. Das Heiltumsbuch beginnt mit dem „Kleinen Kardinal“ von Albrecht Dürer (1471–1528). Das zweite Blatt von Lucas Cranach d. Ä. (1472–1553) zeigt die Stifter des Heiltums, Erzbischof Ernst von Sachsen und Kardinal Albrecht von Brandenburg, neben der Magdalenenkapelle und den Stiftsheiligen.

Die Erhebung im Jahr 1514 ließ Albrecht mit einer beeindruckenden Weihetafel dokumentieren. Die um 1515 zu datierende Tafel ist das früheste der wenigen in Halle (Saale) erhaltenen Kunstwerke der Frührenaissance. Sie ist ein Meisterwerk des aus Mainz stammenden Bildhauers Peter Schro (1485–1544).

 

Die Inschrift lautet übersetzt:

„Dem Allmächtigen und der heiligen Magdalena als Schutzherrin hat Albrecht, von dessen Würde und Herkunft diese Zeichen künden, dieses Haus selbst geweiht im Jahre Christi 1514, am 22. Juli.“


Auf dem Schild erkennbare Wappen:

1. Burggrafschaft Nürnberg
2. Markgrafschaft Brandenburg
3. Herzogtum Stettin
4. Herzogtum Pommern
5. drei Herzschilde: Erzbistum Magdeburg, Erzbistum Mainz, Bistum Halberstadt
6. Herzogtum Wolgast
7. Herzogtum Kassuben
8. Grafschaft Zollern
9. Fürstentum Rügen

Das Schild wird gehalten von den Schutzheiligen der beiden Erzstifte Magdeburg und Mainz, den Heiligen Mauritius und Martin, und wird bekrönt von drei Bügelhelmen (Mitte: Magdeburg, links: Mainz, rechts: Brandenburg).

Die Schild- und Helmanordnung wird hinterfangen von Albrechts Amtsinsignien: zwei erzbischöflichen Vortragekreuzen für die beiden Erzbistümer und einem Bischofsstab für Halberstadt.

 

Die ursprüngliche personelle Ausstattung der Kapelle war aus heutiger Sicht beneidenswert. 14 Priester, 10 Chorschüler, 2 Sängerknaben, 1 Organist und 2 Küster versahen hier ihren Dienst. Die für sie geschaffenen Kunstwerke gehören zu den bedeutendsten der deutschen Frührenaissance. Den Dreikönigsaltar und den Sebastiansaltar schuf der junge Hans Baldung Grien (1480–1545) für diese Kirche in den Jahren 1506 bis 1508 zum Abschluss seiner Ausbildung in der Werkstatt von Albrecht Dürer. Beide Altäre befanden sich bis ins 19. Jahrhundert in der Saalestadt und wurden im Jahr 1838 für wenige Taler verkauft. Heute sind sie Glanzstücke in den Sammlungen der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin sowie des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg.

 

Ihrem Charakter nach gehört die Kapelle in die Reihe der obersächsischen Hallenkirchen und bildete den Endpunkt der Entwicklung dieses speziellen Bautyps. Sie hat erstmals eine komplett umlaufende Empore, vollzogen durch Öffnungen im rationell ausgeführten eingezogenen Stützensystem. Bauhistorisch interessant ist das konstruktive und künstlerische Raumprinzip: Schlanke Rundpfeiler, je zwei bzw. je vier, treten direkt vor die Wand, mit der sie bis zur Höhe der Hauptgewölbe durch Bögen verbunden sind und somit im Untergeschoss einen durch Nischen abgeteilten Kapellenkranz ermöglichen.

 

Beim großen Brand im Winter 1637 büßte die Kapelle ihr Gewölbe ein, das nach einer notdürftigen Instandsetzung nach dem Dreißigjährigen Krieg erst 1894 bis 1899, anlehnend an die hallesche Ulrichskirche, rekonstruiert wurde. Es entstand ein neogotischer Kirchenraum mit einer vollständigen Ausmalung von August Oetken (1868–1951). Die zwischen 1690 und 1809 von den in Halle (Saale) eingewanderten Hugenotten genutzte Kirche wurde 1899 als Universitätskirche geweiht. Heute wird sie von der Gemeinde Sankt Maria-Magdalena der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Gemeinde (SELK) genutzt.

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