01. April 2020

Richard Horn:
Lachender Arbeiter
1926

 

Heute ist der 1. April. An sich ist es Tradition, sich an diesem Tag mit Scherz und Witz und erfundenen Geschichten gegenseitig in den Monat zu schicken. Die Ursprünge dieses Brauchs sind allerdings gar nicht bekannt und reichen wohl bis ins 16. Jahrhundert zurück. Belegt ist die Redewendung, jemanden in den April zu schicken, seit dem frühen 17. Jahrhundert.

Wie auch immer, mit dem Aprilscherz ist das Lachen verbunden, in den gegenwärtigen Zeiten mehr denn je. So meinte schon der griechische Philosoph Aristoteles: „Lachen ist eine körperliche Übung von großem Wert für die Gesundheit.“ Von der Körperlichkeit des Lachens wissen wir alle. Und genau das zeigt auch der Lachende Arbeiter, den der hallesche Bildhauer Richard Horn 1926 schuf.

 

Richard Horn (1898–1989)

Richard Horn wurde als Sohn des Bildhauers Paul Horn in Berlin geboren und ließ sich zunächst 1915/16 an der Holzschnitzschule in Bad Warmbrunn in Niederschlesien ausbilden, bevor er sein Studium an der halleschen Kunstschule in der Burg Giebichenstein fortsetzte. Aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt war er gemeinsam mit seinem Künstlerkollegen Karl Völker (1889–1962) einer der wichtigen Vertreter der sozial engagierten Kunst in Halle (Saale).

Seit 1919/20 schuf er Plastiken und vor allem Holzschnitte, die sich mit den gesellschaftlichen Entwicklungen in der ersten deutschen Demokratie, der Weimarer Republik, auseinandersetzten. Aufgrund dieses Engagements wurde er ab 1933 von den Nationalsozialisten politisch verfolgt. Aus dem Kriegsdienst zurückgekehrt engagierte er sich ab 1945 als Künstler in seiner Heimatstadt Halle (Saale) neuerlich mithilfe seiner Arbeit am demokratischen Wiederaufbau des Landes. Hiervon zeugen zahlreiche Werke von ihm im öffentlichen Raum, so zum Beispiel das 1951 eingeweihte Mahnmal Der Weg in den Tod im Gedenkpark an der Nikolaistraße in Schönebeck an der Elbe.

 

Novembergruppe

 

 

Am 3. Dezember 1918 hatte sich in Berlin die Novembergruppe gegründet. Namengebend war die kurz zuvor stattgefundene Novemberrevolution. Gründungsmitglieder waren u. a. die Maler Max Pechstein, Otto Dix, Conrad Felixmüller, der Bildhauer Rudolf Belling, die Architekten Erich Mendelsohn, Marcel Breuer, Mies van der Rohe oder der Komponist Hanns Eisler.

Als „Vereinigung der radikalen bildenden Künstler“ war die Novembergruppe keine bloße Ausstellungsvereinigung. Ihre Ziele waren die Vereinigung von Kunst und Gesellschaft und aktive Anteilnahme an der Neugestaltung der Gesellschaft. Stilistisch bildete die Vereinigung die Vielfalt der künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten ab: vom Expressionismus über den Kubismus bis hin zum Futurismus. Der Stilpluralismus der Moderne war Programm!

In ihrem Programm heißt es:

Was fordern wir vom neuen Staate?

Wir fordern die gesicherte materielle Grundlage der freien Künstler, die Gleichstellung mit anderen volksbildenden Berufen!

[…]

Wir fordern, daß in den Elementarschulen freie Künstler angestellt werden, daß in den Schulen reichlich Werkstätten unter Leitung von freien Künstlern eingerichtet werden, damit die praktischen und künstlerischen Fähigkeiten des Kindes geweckt und für das künftige Leben zunutze gemacht werden.Wir fordern eine gründliche Reform der Kunstgewerbeschulen und Akademien. Diese Anstalten müssen vom Staate zu Volksschulen gemacht werden; jeder habe Zutritt zu allen Kunststätten.

Die Schulen selbst müssen auf demokratischer Grundlage umgestaltet werden: Den Schülern muß das Mitbestimmungsrecht gegeben, die Lehrkräfte von den Schülern auf Zeit selbst gewählt werden usw.

[…]

Volksbildungshäuser müssen geschaffen werden, in Art von Festhallen usw.  Die Museen müssen dem Volke schmackhafter gemacht werden. Vorträge und Führungen in denselben müssen häufiger stattfinden. Die auszustellenden Werke müssen häufig gewechselt werden usw.

[…]

Wir fordern die Gleichberechtigung der modernen mit der sogenannten anerkannten Kunst.

 

 

Charakteristisch für die Arbeit der Novembergruppe war ihre dezentrale Organisation. So hatten sich bis 1922 als regionale Ortsgruppen das Junge Rheinland, Der Sturm, die Dresdner Sezession Gruppe 1919 oder auch die Hallische Künstlergruppe assoziiert. Ausstellungen fanden dezentral sowie jährlich in einem eigenen Raum innerhalb der Großen Berliner Kunstausstellung statt.

1933 musste die Künstlergruppe ihre Arbeit einstellen. Ihre Mitglieder wurden von den Nationalsozialisten wegen ihres Engagements für Internationalität sowie Abstraktion und Atonalität als „bolschewistisch“ diffamiert. 1935 wurde die Novembergruppe aus dem Vereinsregister der Stadt Berlin gestrichen.

 

Hallische Künstlergruppe

Im Mai 1919 gründete sich in der Saalestadt die Hallische Künstlergruppe. Zu ihren 25 Mitgliedern gehörten neben den Bildhauern Paul und Richard Horn und dem Maler Karl Völker auch der Architekt und Stadtrat Martin Knauthe und der Bildhauer Karl Oesterling. Die Hallische Künstlergruppe war als Ortsgruppe der Berliner Novembergruppe assoziiert. Ende 1925 ging die Gruppe in der Ausstellungsgemeinschaft bildender Künstler, ab 1928 im Reichsverband bildender Künstler Deutschlands, Bezirksgruppe Halle e. V. auf.

Die Durchsetzung der eigenen Ziele wie der der Novembergruppe strebten sie durch Martin Knauthe als gewählten Vertreter im halleschen Stadtrat an. So wurde ein Künstlerrat zur Linderung der wirtschaftlichen Not der halleschen Künstler (v. a. durch öffentliche Gestaltungswettbewerbe) etabliert. Mitglieder der Hallischen Künstlergruppe wirkten auch in den Ausschüssen mit dem Ziel, „Halle zu einer selbständigen Kunststadt zu machen.“ Im November/Dezember 1919 fand die Hallesche Kunstausstellung statt, auf der u. a. Karl Völkers Pietà zu sehen war, die er zuvor bereits in Berlin gezeigt hatte.

 

 

Aus derselben politischen wie künstlerischen Haltung heraus schuf Richard Horn 1919 seine Plastik Erwachen. Aus der blockhaften Form schält sich die sich nach oben windende weibliche Figur heraus. Etwas Kraftvolles, Beginnendes liegt in der Arbeit verborgen.

 

Im Zuge der durchgeführten Wettbewerbe für die künstlerische Ausgestaltung von Schulneubauten schuf Richard Horn für die 1928/29 nach Plänen des halleschen Stadtbaurats Wilhelm Jost errichtete Pestalozzischule den Bauschmuck. 27 farbige keramische Arbeiten schmücken bis heute das Äußere und Innere dieser modernen Schule. Besonders innovativ ist die Gestaltung der Uhr an der zentralen Eingangsfassade.

Weitere Informationen auf www.moderne-halle.de

 

Lachender Arbeiter, 1926

Aus dieser Zeit stammt auch Richard Horns Lachender Arbeiter. Breitbeinig und barfuß, die Hände in die Hosentaschen gerammt – das ist kein wohlanständiger Bürger!

Diese kräftige Gestalt, nur bekleidet mit Hemd und Hose, lacht nicht nur mit dem weit geöffneten Mund. Der ganze Körper ist von diesem Lachen durchzogen. Um so aus tiefster Seele lachen zu können, ist die Figur mit den weit gegrätschten Beinen fest auf dem Boden verankert, und wie eine Welle steigt das Lachen in ihr auf, holt sie Kraft noch einmal aus dem schwingend zurückgebeugten Oberkörper, um es dann mit voller Macht heraus zu lassen – kraftvoll und aufmüpfig.

Horn hat mit diesem Arbeiter einem großen Teil der Bevölkerung in der Weimarer Republik, der in der Entstehungszeit des Werkes so viel nicht zu lachen hatte, Ausdruck verschafft – ganz im Sinne des Ausspruchs des griechischen Dichters Horaz: „Durch Lachen verbessere ich die Sitten.“

 

Endlose Straße, 1972–76

Nach dem Zweiten Weltkrieg schuf Richard Horn in der Mitte seines achten Lebensjahrzehnts noch einmal ein monumentales Werk: die mehrfigurige Bronzearbeit Endlose Straße, die 1980 im Kolumbarium des halleschen Gertraudenfriedhofs aufgestellt wurde. In Form eines Trauerzuges, angeführt von der Figur des Todes, greift Horn mit dieser Arbeit die Tradition der mittelalterlichen Totentanzdarstellungen auf.

 

 

In unseren Beständen befinden sich zahlreiche Werke von Richard Horn: Plastiken, Druckgrafiken und Arbeiten der angewandten Kunst.

 

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Dissertation über Richard Horn von Sabine Meinel aus dem Jahr 2008: Online-Publikation

Die Sammlung zur Novembergruppe in der Berlinische Galerie Mehr erfahren

Ausstellung Freiheit. Die Kunst der Novembergruppe 1918–1935, Berlinische Galerie, 2018/19, die wir mit mehreren Leihgaben aus unserer Sammlung unterstützten Mehr erfahren

Rezension der Ausstellung Freiheit. Die Kunst der Novembergruppe 1918–1935 von Barbara Bogen im Deutschlandfunk, 09.11.2018, mit Abbildung des Gemäldes Beton von Karl Völker aus unserer Sammlung Mehr erfahren

Rezension der Ausstellung Freiheit. Die Kunst der Novembergruppe 1918–1935 von Andreas Kilb in der FAZ, aktualisiert am 21.01.2019 Mehr erfahren

Informationen zur Moderne in Halle (Saale) www.moderne-halle.de